Afrika Putsch im Niger: Frankreichs banger Blick nach Westafrika

Mit russischen Fahnen demonstrierten Menschen in der nigrischen Hauptstadt Niamey am Wochenende für die Putschisten.
Mit russischen Fahnen demonstrierten Menschen in der nigrischen Hauptstadt Niamey am Wochenende für die Putschisten.

Die ehemalige Kolonialmacht Frankreich hat geostrategische Interessen in Niger. Große Bedeutung hat das westafrikanische Land auch als Uran-Lieferant.

Nach dem Militärputsch vor einer Woche in Niger begann Frankreich am Dienstag mit der Evakuierung der gut 500 französischen Bürger sowie anderer ausreisewilliger Europäer aus dem westafrikanischen Staat. Das Außenministerium in Paris begründete die Aktion mit der angespannten Situation in der Hauptstadt Niamey, aber auch mit der Schließung des nigrischen Luftraums, der es Europäern unmöglich mache, das Land auf eigene Faust zu verlassen. Demonstranten hatten am Wochenende die französische Botschaft in Niamey mit Steinen beworfen und Feuer gelegt. Videoaufnahmen zufolge schrien einige der Beteiligten „Nieder mit Frankreich!“ und „Es lebe Russland!“. Die einstige französische Kolonie wurde 1960 unabhängig, doch auf Paris hat sich offenbar große Wut aufgestaut.

Wie groß dort die Sorge ist, zeigt der scharfe Ton, den Präsident Emmanuel Macron anschlug. Unmittelbar nach seiner Rückkehr von einer Reise in die Indopazifik-Region berief er den nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrat ein. Er warnte, Frankreich werde unerbittlich auf jeglichen Angriff auf französische Staatsbürger oder Interessen in Niger reagieren.

Die ehemalige Kolonialmacht setzte wie die gesamte Europäische Union bis auf Weiteres alle Budgethilfen aus und forderte die nigrischen Putschisten um General Omar Tchiani dazu auf, die verfassungsmäßige Ordnung wieder herzustellen. Außerdem begrüßten Vertreter der EU und Frankreichs die finanziellen Sanktionen der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) und die Drohung, Niger aus der Mitarbeit auszuschließen und für den regionalen Finanzmarkt zu sperren.

Vorwurf Neokolonialismus

Demgegenüber erklärten die Regimes in Mali und Burkina Faso, jede militärische Intervention mit dem Ziel, Präsident Mohamed Bazoum wieder in sein Amt zu holen, werde als Kriegserklärung betrachtet. Auch in den beiden benachbarten Ländern haben sich in den vergangenen Jahren Militärs an die Macht geputscht. Seitdem versucht Moskau, dort seinen Einfluss auszubauen. Die russischen Wagner-Söldner sind in beiden Ländern aktiv, weshalb Frankreich Anfang 2022 seine Truppen aus Mali abzog. Deutschland will bis Jahresende folgen. Umso mehr galt Niger für Paris als wichtiger Stabilitätsanker und Partner im Kampf gegen islamistische Terrorgruppen sowie irreguläre Migration in der Sahel-Region.

Die Zukunft der rund 1500 französischen Soldaten, die dort stationiert sind, ist wie der deutschen Militärs ungewiss. Als Lektion aus den Misserfolgen in den Nachbarländern war für die Militäroperation zuletzt das Ziel ausgegeben worden, „immer weniger sichtbar zu sein“, wie Caroline Roussy, Forscherin am Institut für internationale und strategische Beziehungen Iris in Paris, sagt. „Doch Behauptungen, die in Mali zirkulierten, dass die Franzosen die Terroristen bewaffnen, sind auch in Niger angekommen.“

Für Léonard Colomba-Petteng, der hauptsächlich zu den europäischen Beziehungen zum Niger forscht, ist der Vorwurf eines französischen Neokolonialismus’ eine effiziente Möglichkeit, die Widerstandsbewegung anzuheizen. Bis jetzt seien die Beziehungen zwischen Paris und Niamey aber sehr gut gewesen.

Die Experten sehen durch die instabile Lage vor allem die geostrategischen Interessen Frankreichs in Gefahr. Doch auch wirtschaftlich steht einiges auf dem Spiel, denn Niger gehört zu den Lieferanten von Uran für die französischen Atomkraftwerke. Erst im Mai schloss der staatliche Orano-Konzern ein Abkommen mit der nigrischen Regierung über den Abbau der Uranvorkommen im Nordwesten des Landes.

Ausreichend Uran-Vorräte

Während Frankreich aber seit Jahren auf eine Streuung bei der Belieferung des Kernbrennstoffs hinarbeitet, ist die EU als Ganzes noch weit abhängiger: Laut der EU-Atombehörde Euratom stammt rund ein Viertel des importierten Urans aus Niger. Dennoch sieht die EU-Kommission keinen Mangel bei Kernbrennstoffen für europäische Atomkraftwerke. Es bestehe derzeit „kein Versorgungsrisiko“, sagte Kommissionssprecher Adalbert Jahnz am Dienstag in Brüssel. Die Unternehmen in der EU verfügten über ausreichende Vorräte an Uranmetall, um kurzfristige Engpässe zu überbrücken. „Mittel- und langfristig gibt es genügend Vorkommen auf dem Weltmarkt, um den Bedarf der EU zu decken“, fügte der Sprecher hinzu. Von den rund hundert Atomreaktoren in der EU stehen mehr als die Hälfte in Frankreich.

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