Staatsfolter OLG Koblenz: Lebenslang für syrischen Ex-Geheimdienstler

Anwar Raslan (rechts) vor der Urteilsverkündung am Donnerstag mit seinen Anwälten.
Anwar Raslan (rechts) vor der Urteilsverkündung am Donnerstag mit seinen Anwälten.

Lebenslange Haft für Anwar Raslan, einen früheren Geheimdienstoffizier des syrischen Regimes von Staatschef Baschar al-Assad: Die Staatsschutzkammer am Koblenzer Oberlandesgericht hat am Donnerstagmorgen Raslan wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt.

Der nach Deutschland als Flüchtling gelangte Syrer stand seit April 2020 in Koblenz vor Gericht. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass sich Raslan als hohes Mitglied des syrischen Geheimdienstes im berüchtigten Al-Khatib-Gefängnis in Damaskus Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig machte. Die Richter der Staatsschutzkammer sahen es als erwiesen an, dass Raslan, heute 58 Jahre alt, in den Jahren 2011 und 2012 Mittäter bei 27 Morden, gefährlicher Körperverletzung in 25 Fällen, besonders schwerer Vergewaltigung, sexueller Nötigung, Freiheitsberaubung, Geiselnahme und sexuellen Missbrauchs von Gefangenen war.

Mindestens 4000 Häftlinge sollen unter seiner Befehlsgewalt im Al-Khatib-Gefängnis von Damaskus mit Schlägen, Tritten und Elektroschocks gefoltert worden sein. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. In der Anklageschrift waren ihm zunächst 58 Morde zur Last gelegt worden.

Nebenklage: Gerechtigkeit kein Traum

Der 1971 vor dem Assad-Regime geflohene und in der Nordpfalz lebende deutsch-syrische Autor Rafik Schami lobte gegenüber der RHEINPFALZ das Koblenzer Verfahren: Es sei „eine historisch einzigartige und zugleich großartige Maßnahme gegen politisches Verbrechen“. Schami weiter: „Hier hat ein Land gezeigt, wie man von der eigenen Geschichte lernen kann, und solchen kaltblütigen Mördern gezeigt, dass sie, auch wenn sie flüchten, bestraft werden können.“

Ruham Hawash, syrische Überlebende und Nebenklägerin im Verfahren gegen Anwar Raslan, sagte in einer Stellungnahme: „Dieser Tag, dieses Urteil ist wichtig für alle Syrer und Syrerinnen, die unter den Verbrechen des Assad-Regimes gelitten haben und noch immer leiden. Es zeigt uns: Gerechtigkeit muss und darf kein Traum für uns bleiben. Dieses Urteil ist nur ein Anfang und wir haben einen langen Weg vor uns – aber für uns Betroffene sind dieses Verfahren und der Tag heute ein erster Schritt in Richtung Freiheit, Würde und Gerechtigkeit.“

Hawash wurde wie andere Nebenkläger von der Berliner Menschenrechtsorganisation ECCHR unterstützt. ECCHR-Anwalt Patrick Kroker sagte: „Das Urteil heute ist nur ein erster Schritt zur Aufarbeitung der Verbrechen in Syrien – doch dieser erste Schritt ist oft der schwierigste. Es bleibt das Ziel, hochrangige Mitarbeiter von Assad, wie den ehemaligen Luftwaffengeheimdienstchef Jamil Hassan, für ihre Verbrechen vor Gericht zu bringen.“ 2017 hatte das ECCHR Strafanzeige gegen Hassan gestellt, im Juni 2018 hatte die deutsche Justiz dann einen internationalen Haftbefehl gegen ihn erlassen.

Nebenverfahren gegen Eyad A.

Die Bundesanwaltschaft hatte im Dezember für Anwar Raslan lebenslange Haft und die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld gefordert. Raslans Verteidigung plädierte auf Freispruch, da Raslan keine Wahl gehabt habe und Ende 2012 selbst geflohen sei. Ende Februar 2021 hatte das Gericht bereits den mit Raslan in Koblenz angeklagten Ex-Geheimdienstmitarbeiter Eyad A. zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt. Er war als Flüchtling im pfälzischen Zweibrücken festgenommen worden.

Das Weltrechtsprinzip im Völkerstrafrecht erlaubt es, auch hierzulande mögliche Kriegsverbrechen von Ausländern in anderen Staaten zu verfolgen. Anwar Raslan war nach seiner Flucht nach Deutschland von Folteropfern erkannt und 2019 in Berlin festgenommen worden.

Leitartikel zum Koblenzer Prozess: Gerechtigkeit für Assads Folteropfer

107 Tage wurde am Oberlandesgericht in Koblenz gegen Anwar Raslan wegen seiner Taten als Mitglied des syrischen Geheimdienstes v
107 Tage wurde am Oberlandesgericht in Koblenz gegen Anwar Raslan wegen seiner Taten als Mitglied des syrischen Geheimdienstes verhandelt.
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