Politik Nun also auch Olaf Scholz

Lange dümpelte die Suche nach der SPD-Spitze dahin. Es schien, als scheuten prominente Genossen das Amt wie der Teufel das Weihwasser. Nun kommt das Verfahren in Schwung. Olaf Scholz kandidiert. Aber der kann sich seiner Wahl nicht sicher sein.

Sie kommen zu Fuß, fast unbemerkt. Aber eben nur fast. Denn die Fotografen liegen auch vor der Bundespressekonferenz auf der Lauer, wie immer. Gesine Schwan lächelt, wie immer. Ralf Stegner lächelt – anders. Der Schleswig-Holsteiner mit Bad Dürkheimer Geburtsurkunde weiß um die Wirkung seiner bisherigen Bilder mit dem miesepetrigen Zug um den Mundwinkel. Im Rahmen seiner Möglichkeiten zaubert er sich daher das mutmaßlich lieblichste Lächeln ins Gesicht, das die Fotografen in den vergangenen Jahren gesehen haben. Schwan und Stegner sind gekommen, um ihre Kandidatur für den SPD-Bundesvorsitz zu begründen. Sie fordern ein klares Profil: Anhebung des Spitzensteuersatzes auf 50 Prozent, Einführung der Bürgerversicherung im Gesundheitswesen, der Pflege und der Rente, Wiedereinführung der Vermögensteuer, 30-Stundenwoche. Die klare linke Kante soll Rot-Grün-Rot umsetzen. Als „Power-Duett“ verstehen sie sich, auch wenn sie im reifen Lebensalter von 76 (Schwan) und 59 Jahren (Stegner) mutmaßlich nicht bei allen Wählern als jugendlich-frisch durchgehen dürften.

Pistorius streckt den Finger

Immerhin kommt seit der Bekanntgabe ihrer Kandidatur am Mittwoch Bewegung ins Führungsfindungsverfahren der SPD. „Wir sehen ja heute schon, dass wir Schwung gebracht haben“, meint Stegner. Am Donnerstag hat sich zunächst Hoffnungsträgerin und Bundesfamilienministerin Franziska Giffey selbst aus dem Rennen genommen. Weil es nach dem Verfahren möglich ist, als Doppelspitze anzutreten, hatte es zuvor allerlei Spekulationen um Niedersachsens Ministerpräsidenten Stephan Weil als Partner Giffeys gegeben.

Möglicherweise tritt Weil nicht an. Denn am Freitag hat sein niedersächsischer Kabinettskollege Boris Pistorius den Finger gestreckt. Er will im Duett mit der sächsischen Staatsministerin für Gleichstellung und Integration, Petra Köpping, kandidieren. Keine zwei Stunden später war am Freitag ein weiterer Name auf dem Markt – noch dazu ein erster prominenter Name: Olaf Scholz. „Der Findungsprozess wird immer spannender“, sagt SPD-Landesgruppenchef Thomas Hitschler (Hainfeld). Vor allem, weil durch die neuen Kandidaturen ein breites Spektrum in der Partei abgedeckt würde.

Wer wird Partnerin des Finanzministers?

Unklar blieb, ob der Bundesfinanzminister die Nachricht über seine Kandidatur selbst an die Öffentlichkeit getragen hat. Als Doppelspitze anzutreten, ist in diesem Verfahren zwar nicht zwingend. Aber Scholz konnte gestern keine mögliche Co-Vorsitzende benennen. Es heißt, er führe Gespräche und sondiere im Hintergrund. Die Bewerbungsfrist endet am 1. September. Ob in den verbleibenden zwei Wochen noch weitere Genossen aus der ersten oder zweiten Reihe den Finger strecken werden, ist offen. Aber mit der Kandidatur von Scholz und dem Duo Pistorius/Köpping sind die Wahlchancen der weiteren zehn Mitbewerber deutlich gesunken. Wobei bei einigen ohnehin fraglich ist, ob sie die formalen Kriterien erfüllen werden.

Um letztlich für die Mitgliederbefragung vom 14. bis 25. Oktober nominiert zu werden, muss ein Kandidat von mindestens fünf SPD-Unterbezirken oder von einem Bezirk beziehungsweise Landesverband unterstützt werden.

Der „Scholzomat“

Stand heute: Obwohl sich mit Olaf Scholz ein prominenter Genosse aus der Deckung gewagt hat, wird seine Kandidatur vermutlich kein Selbstläufer. Der Hanseat gilt als spröde. In seiner Zeit als SPD-Generalsekretär in der Ära des Kanzlers Gerhard Schröder hat er dessen Agendapolitik auf eine Weise erklärt und verteidigt, die ihm den Schmähtitel „Scholzomat“ einbrachte. Er sprach formelhaft, gestanzt und wie ein kreuzbraver Parteisoldat. Für viele Linke in der Partei haftet ihm zudem noch immer der Geruch der ungeliebten Agendapolitik an den Kleidern. Mit einigem Argwohn verfolgen sie auch, wie Scholz als Finanzminister die Bundeskasse streng im Blick hat. Er verteidigt die schwarze Null, also den Ausgleich des Haushalts ohne neue Schulden. Oder er sagt, die zu erwartenden Maßnahmen gegen den Klimawandel seien finanzierbar ohne neue Kredite.

Immerhin: Mit seiner Kandidatur hat Scholz das Rennen um die SPD-Spitze offen und spannend gemacht.

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