Politik New York: Micheal Moores Ein-Mann-Theaterstück

US-Filmemacher Michael Moore sagte im Sommer 2016 den Sieg des Immobilien-Moguls Donald Trump bei der US-Präsidentschaftswahl voraus. In seinem neuen Ein-Mann-Theaterstück „The Terms of my Surrender“ – die Bedingungen meiner Kapitulation – arbeitet sich der Held der Linken am ehemaligen Immobilien-Mogul Trump ab. Ein Premierenbesuch in New York.

Michael Moore hat noch gar nichts gesagt, er hat nur die Bühne betreten, da weiß man schon, dass es ein Heimspiel für ihn wird. „I love you“, ruft jemand aus den vorderen Reihen. „Wie konnte dieser Scheiß dann passieren?“, ruft Moore zurück. Die Antwort gibt er selber, dann lässt er die Zuschauer im Belasco Theatre dreimal im Chor wiederholen: „Donald Trump hat uns überlistet.“ Er habe es schlauer angestellt als die Demokraten, die sich doch immer für die Schlaueren hielten. Als die Meinungsforscher nahezu unisono einen Sieg Hillary Clintons prophezeiten, prophezeite Moore das Gegenteil. Trump werde von Idaho bis Georgia überall dort gewinnen, wo die Konservativen die Nase traditionell vorn hätten. Dann brauche er nur noch Michigan, Ohio, Pennsylvania und Wisconsin, vier Rostgürtel-Staaten. „Das wird ihn als Ersten durchs Ziel gehen lassen“, orakelte der Filmemacher. Das war im Sommer vergangenen Jahres, und zwölf Monate darauf feiert Moore mit einem Stück über Trump seine Broadway-Premiere. Der Guru dreht eine Ehrenrunde. Seine Prognose erwies sich als derart präzise, dass er bis heute als Trump-Versteher gilt. Einer, der sich hineinfühlen kann in die Welt der frustrierten weißen Männer, die den Milliardär zum Präsidenten machten. Ein Trump-Versteher, der allerdings sagt, dass selbst Amerika nicht groß genug sei für Donald Trump und Michael Moore. Folglich müsse einer von beiden gehen. „The Terms of My Surrender“: Das Stück handelt davon, wer denn nun kapituliert, der frühere Immobilienmogul vor dem Helden der Linken. Oder umgekehrt, der Held der Linken vor dem Mogul. Unter einem Sternenbanner, das so groß ist wie die Bühne, zieht Moore die Baseballkappe vom Kopf, um sich die Haare zu raufen. „Aber er ist doch ein Psychopath, ein Egomane, er ist doch verrückt“, ruft er mit gespielter Verzweiflung. „Ja, verrückt genug, um acht Millionen Obama-Wähler auf seine Seite zu ziehen. Verrückt genug, um zu wissen, wo Wisconsin liegt. Und tatsächlich hinzufliegen.“ Dass Hillary auf Auftritte in Wisconsin verzichtete, weil sie sich dort als sichere Siegerin wähnte, Moore kann es ihr nicht verzeihen, es ist das Symbol mangelnder Bodenhaftung. So gesehen ist seine One-Man-Show auch eine Abrechnung mit ihr. In einer Stadt, in der sie in der Wahlnacht ihren Triumph zu feiern gedachte. Er wolle die Menschen nicht belehren, hat Moore der „New York Times“ gesagt. Er stelle sich auch nicht Abend für Abend ins Theater, um Kundgebungen abzuhalten. Vielmehr wolle er Geschichten erzählen, Geschichten, nach denen sich die Menschen in dieser zerrissenen Nation hoffentlich besser fühlten. Es geht um Schlüsselepisoden in seinem Leben. Die Botschaft lautet, dass ein Einzelner einen Unterschied machen kann, wenn er sich denn aufrafft. Mit 17 hält Moore vor dem Elks Club, einer Art Nachbarschaftsverein, eine Rede und sorgt für Empörung. Der Club nimmt zu dieser Zeit nur weiße Männer als Mitglieder auf. „Wir leben im Jahr 1971. Das ist Michigan und nicht Mississippi“, wettert der Teenager und wird prompt im Fernsehen interviewt. Später fährt er mit einem Freund ins rheinland-pfälzische Bitburg, um vor den Augen Ronald Reagans ein Transparent zu entrollen. Auf dem Soldatenfriedhof, auf dem der damalige US-Präsident einen Kranz niederlegen will, liegen auch Mitglieder der Waffen-SS begraben. Zwei junge Kerle, die Reagan blamieren, indem sie sich einfallsreich durch die Sicherheitskontrollen schummeln. David gewinnt gegen Goliath. Und jetzt schließt er den Kreis, spiele er mit dem Gedanken, sich 2020 fürs Weiße Haus zu bewerben. „Eine Schnapsidee, oder?“, fragt er ins Publikum. Seine Fans auf den Rängen sehen das natürlich anders, für sie ist Moore ein zweiter Bernie Sanders, genauso kämpferisch, nur satirisch begabter. In der nächsten Szene steht der Alleinunterhalter tatsächlich an einem Kandidatenpult und verspricht, dass es unter seiner Präsidentschaft nur noch ein Kabel für alle Smartphones, iPads, Laptops geben werde. „Eine Nation, ein Volk, ein Kabel!“ Ich könnte allein damit gewinnen, schiebt er augenzwinkernd hinterher. Für „Bowling for Columbine“, einen Streifen über die mächtige Waffenlobby, hat der heute 63-Jährige den Oscar bekommen. Bei der Gala hielt er George W. Bush, dem „fiktiven Präsidenten, der uns aus fiktiven Gründen in den Krieg schickte“, eine Gardinenpredigt, worauf es Morddrohungen hagelte und sich Moore von pensionierten Elitesoldaten der Navy Seals bewachen lassen musste. In „Fahrenheit 9/11“ dokumentierte er den Pakt der Bush-Dynastie mit dem saudischen Königshaus. In „Sicko“ nahm er die Krankheiten des amerikanischen Gesundheitssystems aufs Korn. Nun geht es um Donald Trump, den Verführer. Der Mann, doziert Moore voller Sarkasmus, habe eines verinnerlicht, nämlich das Motto „Keep it simple“. Kein kompliziertes Programm, schlichte Sprache, das sagen, was die Leute hören wollen. „In Wisconsin hat er jedem erzählt, ich mache dich reich. Er wusste eben, wie man mit Amerikanern zu sprechen hat.“ Es spiele keine Rolle, ob es die Wahrheit sei. Hauptsache, es klinge gut. In Schlabberhosen und XXL-Hemd, das am Bauch trotz seiner Weite spannt, ruft Moore Beifall heischend ins Publikum: Na, wie sehe ich aus? Großartig, kommt die Antwort. „Oh, das hat sich gut angefühlt“, sagt Moore. „Egal, ob es stimmt oder nicht.“

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