Politik Männer der Mitte

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Heute verabschiedet sich ein sehr guter Bundespräsident aus seinem Amt. Sein Nachfolger hat das Zeug, ein erfolgreiches Staatsoberhaupt zu werden. Die Aufgabe ist klar: das Vertrauen in unsere Demokratie zu stärken.

Joachim Gauck war ein guter Bundespräsident, der richtige Mann zur richtigen Zeit. Im Rückblick ist es schade, dass er der Bundesrepublik nicht weitere fünf Jahre lang als Staatsoberhaupt dienen konnte. Unsere Verfassung gesteht dem Staatsoberhaupt nicht ein Amt der Macht zu, sondern ein Amt des Wortes. Einfluss mittels Macht auszuüben, ist leichter als nur mit dem Wort. Weil aber Gauck so ein geschliffener Redner ist, hat er großen Einfluss gewonnen. Er selbst forderte von Politikern und Journalisten: „Wir brauchen neuen Mut zu einer erhellenden Vereinfachung. Wir dürfen die einfachen Worte nicht den Populisten überlassen. Wir müssen Wahrhaftigkeit und Nachvollziehbarkeit miteinander verbinden und dann zu einer Sprache kommen, die auch jene im Blick hat, die sich nicht tagtäglich mit abstrakten Themen und Texten auseinandersetzen.“ – Gauck selbst hat seine Forderung vorbildhaft erfüllt. So verstand er es, die Werte unseres Grundgesetzes, an erster Stelle die Freiheit, lebendig zu machen und dem aufkeimenden Nationalismus seinen Verfassungspatriotismus entgegenzusetzen. Und so konnte er ganz unbefangen und glaubwürdig sagen, dass er stolz auf dieses Deutschland ist und diesen Stolz bei seinen Auslandsreisen zeigen, ohne jemanden damit zu provozieren. Zugehört haben sie ihm alle, auch Putin und Erdogan, und sie taten sich erkennbar schwer, Gaucks Plädoyer für die Freiheit klein zu reden. Der Pfarrer Gauck war auch als Bundespräsident ein Prediger, aber keiner der Bibel, sondern einer der Politik. Unserer der Parteien überdrüssigen und ungläubiger werdenden Gesellschaft tat das Eindringliche wohl, das gute Predigten auszeichnet. In unserer Demokratie sind Staat und Religion voneinander getrennt. Joachim Gauck machte als Bundespräsident aber deutlich, dass Politik bewusst christlich und Glaube bewusst politisch sein können, ohne dass der säkulare Staat darunter leidet. Im Gegenteil. Frank-Walter Steinmeier ist ebenfalls ein bekennender Christ, aber kein Prediger, sondern ein Manager der Politik. Schon in seiner Dankesrede nach der Bundesversammlung, die ihn zum Präsidenten gewählt hat, hörte man, dass Steinmeier durch und durch Politiker ist. Es gibt kaum jemanden sonst in der Bundesrepublik, der so viel politische Erfahrung wie er hat: Er war Leiter der niedersächsischen Staatskanzlei, Chef des Bundeskanzleramtes und Beauftragter für die Nachrichtendienste, SPD-Fraktionschef und Oppositionsführer im Bundestag, insgesamt fast acht Jahre lang Außenminister. Trotz allen Verdrusses über die Parteien, den Staat, die Politik, schaffte es ausgerechnet dieser Politik-Profi, eine der angesehensten Personen der Öffentlichkeit in Deutschland zu werden. Er ist ein Mann des Maßes und der Mitte, des Verhandelns und des Ausgleichs. Er ist kein Populist. Er widersteht den lauten Rufern, die fordern, auf Demagogie demagogisch zu reagieren und Härte mit Härte zu begegnen. Es hat etwas Beruhigendes, dass ausgerechnet in dieser Zeit der verbalen Aufrüstung, der Propaganda und Meinungsmanipulation einer wie Steinmeier so populär ist. Er war der Kandidat einer großen Parteienkoalition. Er wäre aber auch bei einer Direktwahl des Präsidenten durch das Volk der klare Favorit gewesen. Frank-Walter Steinmeier hat das Zeug, als Staatsoberhaupt Klüfte in unserer Gesellschaft zu überwinden und das Vertrauen in die Demokratie und die Einigung Europas wieder zu stärken. Wie gut wäre das für unser Land!

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