Politik Leitartikel: Zurück im Kalten Krieg

Moskau glaubt offenbar nicht mehr daran, dass sich die Beziehung zu

Washington dank US-Präsident Trump verbessern wird. Europa sieht sich in der Russlandfrage in der Zwickmühle, zumal Trump unberechenbar bleibt. Der Kreml muss damit rechnen, dass die Sanktionen aus der Ukrainekrise auf Jahre Bestand haben werden.

„Die Russen sind auf ein Duell eingestellt, das von unendlicher Dauer sein wird.“ 70 Jahre ist es nun her, dass der amerikanische Russlandexperte George F. Kennan diese Worte schrieb. Sein unter dem Pseudonym „X“ verfasster Artikel über die „Quellen des sowjetischen Verhaltens“ begründete die Strategie, Moskaus Machtstreben rund um den Globus Einhalt zu gebieten. Der Kalte Krieg ist seit 1991 zu Ende. Aber normal wurde das Verhältnis der USA zu Russland nie. Im Gegenteil: Ob Bill Clinton oder zuletzt Barack Obama – US-Präsidenten behandelten die gefallene Supermacht geringschätzig. Eine Regionalmacht sei das mit der Wirtschaft eines Schwellenlandes, so Obama. Nach dem wirtschaftlichen Beinahe-Zusammenbruch des neudemokratischen Russlands in den 90er Jahren ist das Land zunehmend in altes autokratisches Gebaren zurückgefallen. Ein Mann steht wie kein anderer für diese Rückbesinnung auf die Sowjetzeit: der seit 2000 das Land beherrschende Kremlchef Wladimir Putin. Putin hat durchaus versucht, mit den alten Feinden – im wahrsten Sinne des Wortes – ins Geschäft zu kommen. Russlands Öl und Gas waren Anreiz genug, um die Wirtschaftsbeziehungen zum Westen auszubauen. Aber während die USA eine Supermacht blieben, die auch immer wieder ihre Dominanz ausspielte – nicht zuletzt im Nahen Osten –, blieb Moskau auf die Region der ehemaligen sowjetischen Staaten zurückgeworfen. Als dann 2013/2014 die Ukrainekrise im eigenen Hinterhof einen Machtwechsel in Kiew brachte, war für Putin das Ende der Zurückhaltung gekommen. Er verleibte sich die Krim ein und sorgt seither dafür, dass im Osten der Ukraine ein Militärkonflikt schwelt. Die Reaktion des Westens – Sanktionen gegen Putins Entourage – sind der Grund für die jüngste Wendung: Moskau stutzt eiskalt das in Russland tätige diplomatische Personal der USA. Der Zeitpunkt ist nicht zufällig gewählt. Der Kremlchef reagiert nach dem fast einstimmigen Beschluss des US-Kongresses vergangene Woche, die Russlandsanktionen nochmals zu verschärfen – und vor der Entscheidung des US-Präsidenten, ob er das Paket abzeichnet. Donald Trump, der seit Jahren für Putin Bewunderung hegt, kann aber gar nicht anders als zu unterschreiben. Zu sehr belastet die Affäre um russische Hackerangriffe im US-Wahlkampf seine Regierungsarbeit. Er muss alles tun, um den Anschein zu vermeiden, er sei Staatschef von Putins Gnaden. Der Kreml wiederum muss damit rechnen, dass die Sanktionen auf Jahre hinaus Bestand haben. Um so mehr wird Moskau darauf setzen, die Europäer gegen Washington aufzuwiegeln. Die deutsche Energiebranche ist sowieso schon erzürnt ob der Haltung des US-Kongresses. Der Zorn fällt um so leichter, als der neue Mann im Weißen Haus unberechenbar regiert und ansonsten ankündigt, die Europäer sollen sich gefälligst selbst um ihre Verteidigung kümmern. Bei der deutschen Reaktion wird jedoch verkannt, dass Russland unter Putin in der Tat kein Alliierter Europas sein kann. Es sei denn, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind uns nicht mehr wichtig. Es sei denn, die Hackerangriffe der Russen und ihre Wahlkampfhilfe für Parteien wie den französischen Front National sind uns egal. Russland strebt danach, wieder als Weltmacht zu gelten. Die Rolle Moskaus im Syrienkonflikt spricht da Bände. Die baltischen Staaten oder auch Polen sehen das zu Recht mit Sorge. George F. Kennans 70 Jahre alte Mahnung bleibt – leider – aktuell.

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