Politik Gegenspieler der USA liegt vorn
Bei der ersten Parlamentswahl im Irak nach dem Sieg über die Extremistenmiliz „Islamischer Staat“ (IS) liegt laut Zwischenergebnissen überraschend der langjährige US-Gegenspieler Moktada al-Sadr in Führung.
Der schiitische Geistliche, der auch Distanz zum US-Rivalen Iran hält, lag nach gestrigen Angaben der Wahlbehörde nach Auszählung von rund der Hälfte der Stimmen vor dem Anführer der wichtigsten irakischen Schiiten-Miliz, Hadi al-Amiri, der von Iran gestützt wird. Der Wunschkandidat des Westens, der amtierende Regierungschef Haider al-Abadi, kam bisher auf Platz drei. Auf den Straßen der Hauptstadt Bagdad feierten Sadrs Anhänger schon nach Bekanntgabe erster Zahlen und zündeten Böller. Es ist aber unklar, ob seine Gruppierung selbst bei einem Wahlsieg die Regierung stellen könnte: Iran hatte im Vorfeld angekündigt, dies nicht zulassen zu wollen. Sadr hat sich über Jahre einen Namen mit dem Kampf seiner Milizen gegen US-Truppen gemacht. Der inzwischen 44-Jährige hat treu ergebene Anhänger vor allem unter jungen und mittellosen Irakern. Er hält Abstand zur Führung in Teheran und bildete ein Bündnis mit Kommunisten und anderen weltlichen Anhängern. Sadr hat zudem Korruption und schlechte Regierungsführung für sich zum Thema gemacht. Das fällt bei vielen Irakern auf fruchtbaren Boden, denen es trotz des Ölreichtums des Landes an vielem fehlt. Seine Popularität zieht er auch aus dem Ansehen seines Vaters Mohammed Sadek al-Sadr. Der Großayatollah war 1999 wegen seines Widerstands gegen den damaligen Machthaber Saddam Hussein ermordet worden. Nach Mohammed ist auch „Sadr-City“ benannt, ein Stadtteil im Nordosten Bagdads. Moktada al-Sadr selbst könnte einer neuen Regierung nicht vorstehen, weil er persönlich nicht bei der Wahl antrat. Er könnte allerdings maßgeblich Einfluss auf die Besetzung des Spitzenpostens nehmen. Seine Allianz könnte aber bei der Bildung der Regierung auch ganz außen vor bleiben, falls sich andere Bündnisse im Parlament bilden und dort auf die Mehrheit der Stimmen kommen. Der neue Ministerpräsident wird sich darum bemühen müssen, die Volksgruppen der Sunniten, Schiiten und Kurden an der Macht zu beteiligen, um die Einheit des Landes zu wahren. Die Mehrheit der Iraker bekennen sich zum schiitischen Islam. Mit Saddam Hussein war aber über Jahrzehnte ein Sunnit an der Macht, der brutal gegen Schiiten und Kurden vorging. Die Regierung wird sich auch mit den Konsequenzen des Ausstiegs der USA aus dem Atomabkommen mit Iran befassen müssen. Der Schritt dürfte für weitere Unruhe in der ohnehin fragilen Region sorgen.