Politik Ein Oligarch baut die neue Mauer

Eine neue Mauer in Berlin? Das Projekt des Filmemachers Ilja Khrzhanowsky bleibt vorerst geheimnisumwittert.
Eine neue Mauer in Berlin? Das Projekt des Filmemachers Ilja Khrzhanowsky bleibt vorerst geheimnisumwittert.

Fast 30 Jahre nach dem Fall der Mauer soll in Berlin wieder ein Betonwall die Menschen in hüben und drüben teilen. In einem geheimnisumwitterten Kunstprojekt will der russische Filmemacher Ilja Khrzhanowsky (43) im Oktober ein ganzes Häuserkarree am Boulevard Unter den Linden einriegeln und dort eine Diktatur nachspielen. Dahinter soll ein russischer Oligarch stecken.

Am kommenden Dienstag wollen die Verantwortlichen die Pläne erstmals vorstellen, aber schon vorher schlagen die Wellen hoch. Denn nach allem, was bisher durchgesickert ist, handelt es sich bei „Dau“ um ein Projekt von ganz neuen Dimensionen. Künstler wie der Filmemacher Tom Tykwer („Lola rennt“), Performerin Marina Abramovic und Streetart-Legende Banksy sind beteiligt. Herzstück, so viel verrät die Einladung für Dienstag, ist die Premiere von 13 Filmen, drei Serien und einer digitalen Filmplattform, die Khrzhanowsky seit 2008 geschaffen hat. In einer eigens nachgebauten Stadt in der Ukraine ließ er für zwei Jahre den stalinistischen Überwachungsstaat wiederauferstehen – bis hin zu Details wie kratzender Unterwäsche und Kohlsuppe. Für viele der bis zu 400 Menschen, die dort lebten und arbeiteten, sei die Kulisse nach und nach zur Realität geworden, schreibt das Kunstmagazin „Monopol“, das den Filmemacher schon länger begleitet. Den Namen „Dau“ hat das Projekt von dem sowjetischen Atomphysiker Lew Landau (1908-1968), um dessen Institut es vor allem geht. Unter dem Titel „Dau Freiheit“ soll die Zeitreise nun in Berlin weitergehen. Laut Bezirksamt haben die Berliner Festspiele als Veranstalter dafür ein gewaltiges Areal rund um das edle Kronprinzenpalais beantragt – einschließlich Staatsoper, Bauakademie und Schinkelplatz. Dort entstehe eine „Stadt in der Stadt, die ein Leben nach anderen Regeln zeigt und erfahrbar macht“. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller hat schon mal seinen Segen erteilt. „Unter dem Strich“ finde er die Sache gut, erklärte der SPD-Politiker. Unklar bleibt indes, woher das Geld für das Projekt kommt. Berliner Beteiligte dürfen keine Auskunft geben, zum Teil mussten sie Schweigeerklärungen unterschreiben. Nach einer Recherche des „Tagesspiegel“ steht hinter „Dau“ die in London ansässige Stiftung Phenomen Trust, die von dem russischen IT-Unternehmer und Multimillionär Sergej Adonjev gegründet wurde. Die russische Ausgabe des Magazins „Forbes“ platziert den Geschäftsmann Adonjew mit Aktiva von 700 Millionen Dollar auf Listenplatz 147 der 200 reichsten Russen. Damit spielt der 57-Jährige, geboren im ukrainischen Lemberg und aufgewachsen in Leningrad (heute wieder Sankt Petersburg), bestenfalls in der zweiten Liga der Oligarchen. Er ist jedoch durchaus ein Mann für die Klatschspalten. So wird ihm eine Affäre mit der Schauspielerin Olga Dychowitschnaja nachgesagt. Die langjährige Ehe mit seiner Frau Maria, einer guten Freundin der russischen Salon- und TV-Löwin Xenia Sobtschak, beeinträchtigt das offenbar nicht. Adonjew selbst aber schweigt. Warum steckt Adonjew seine Millionen in Dau? Die Zeitschrift „Russki Reporter“ beschreibt ihn als jemanden, der „die Interessen des Kremls bedient“, der „Tagesspiegel“ nennt ihn in einem Atemzug mit Wladimir Putin sowie dessen Intimfreunden Igor Setschin und Gerhard Schröder. Für die neue „Mauerstadt“ sind den Medienberichten zufolge strenge Kontrollen geplant. Nur angestammte Bewohner erhielten einen Dauerausweis, Besucher müssten wie in einem Erlebnispark Eintritt zahlen. Nach einem Start Mitte Oktober soll dann am 9. November, dem Tag des Mauerfalls, auch die Fake-Mauer wieder fallen. Weitere Stationen sind Paris (November 2018) und London (Anfang 2019). Freilich: Ob es in Berlin so weit kommt, ist noch nicht ausgemacht. Das Projekt ist schon einmal abgeblasen worden. Im vergangenen Jahr hatte es eigentlich zur Eröffnung der umstrittenen Intendanz von Chris Dercon an der Volksbühne laufen sollen.

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