Politik Die CSU verordnet sich einen Burgfrieden

Die Landtagsfraktion will Parteichef Horst Seehofer für die „extrem schwierigen“ Koalitionsverhandlungen in Berlin den Rücken freihalten. Die Personaldiskussion bei den Christsozialen ist aber nur verschoben, nicht beendet. Darauf legt Rivale Markus Söder Wert. An der Parteibasis gärt es.

Horst Seehofer hat sein Haupt noch. Das in besseren Tagen gemachte Angebot, ihn im Fall einer Wahlniederlage „köpfen“ zu dürfen, hat die bayerische CSU-Landtagsfraktion gestern ausgeschlagen. Nur ein paar Härchen haben sie dem Parteichef gekrümmt. Das ist bemerkenswert nach dem historischen Debakel vom Sonntag und nach den Rücktrittsforderungen, die aus einzelnen Bezirken gekommen sind, ja sogar aus dem Kabinett, von einem leibhaftigen Staatssekretär. Das Bemerkenswerteste aber ist: In der Fraktion hat Seehofers Hauptrivale, Finanzminister Markus Söder, seine größte und eigentlich verlässlichste Hausmacht. Doch auch in dieser Gruppe wollte keiner den Chef stürzen. Noch nicht. Sie haben sich auf Seehofers Linie geeinigt, solche Personalentscheidungen könnten nur auf Parteitagen getroffen werden; der nächste findet ohnehin in sieben Wochen statt. Und auf die Frage, ob er bei seiner Absicht bleibe, dann noch einmal als Parteichef und – für die Landtagswahl 2018 – als Spitzenkandidat anzutreten, sagt Seehofer auch nach der viereinhalbstündigen Generalabrechnung in der Fraktion mit fester Stimme: „Ich habe nichts anderes angekündigt.“ Markus Söder, der Rivale, ist einverstanden. Sagt er. Die kontroverse Diskussion hat er erst einmal laufen lassen, er hat die Stimmung sondiert und sich erst am Schluss der Sitzung zu Wort gemeldet. Er sehe sich, sagt er anschließend, „bekräftigt in meiner Einschätzung, dass ich eine wichtige Aufgabe in der Partei habe“. Die Diskussion sei „noch nicht beendet“. Man müsse nach der „existenziellen“ Wahlschlappe „auf die Basis noch mehr hören als früher“. Und – in einem Atemzug: „Ich hab’ mich immer als Mann der Basis verstanden.“ An der Basis aber gärt es „massiv“. Das bestätigen am Rand der Sitzung etliche Abgeordnete. Warum aber hat sich die CSU fürs erste einen Burgfrieden verordnet? Aus Einsicht einer „weit, weit überwiegenden Mehrheit“, wie die stellvertretende Parteivorsitzende Ilse Aigner sagt, in die äußeren Zwänge. Eine vom Wähler derart ramponierte Partei, das ist nun die gemeinsame Linie, könne ihre Ziele bei den „extrem schwierigen“ Regierungsverhandlungen in Berlin nur durchbringen, wenn sie geschlossen auftrete. Umso mehr, als die Partei die „kleinste im Bundestag“ ist, worauf Söder eigens hinweist. Seehofer gilt für diese Verhandlungen immer noch als der Stärkste in der CSU; Söder hingegen hat keinerlei Erfahrung in und mit dem Berliner Politikbetrieb. Und er hat offenbar Respekt vor der Größe der Aufgabe, denn er hält fest, eine Reise nach Jamaika sei für die CSU „inhaltlich und emotional eine fundamentale Aufgabe“, bei der „erhebliche kulturelle Differenzen“ zu überwinden seien. So weit denkt Seehofer noch lange nicht. Er wolle erst einmal klären, ob überhaupt eine Koalition mit der CDU möglich sei, sagt er; bis zum Parteitag im November will er das herausgefunden haben. Erst wenn sich die Schwesterparteien einig sind, sei an Sondierungen mit anderen Parteien zu denken. An Koalitionsverhandlungen sogar erst danach. Angesichts der prekären Verhandlungssituation verbittet sich Seehofer eine Personaldiskussion in der Heimat – Querschüsse also. Zu diesem Gesamtkonzept hat die CSU-Fraktion gestern ausdrücklich „Ja“ gesagt. Was aber will die CSU? Den „Standort der Union als demokratische, konservative, wertgebundene Mitte-Rechts-Partei auf dem Boden des Grundgesetzes definieren“, sagt Seehofer. Praktisch soll die Schwesterpartei auf Linie gebracht werden, auf das also, was die CSU im „Bayernplan“ als Ergänzung zum gemeinsamen Wahlprogramm der Union festgehalten hat. „Wir hatten ja die richtigen Ziele“, sagt Seehofer ungeachtet der Wahlniederlage. Hauptsächlich verlangt er nun ein „gesamtes Regelwerk zur Zuwanderung“ und angesichts der „Spaltung der Gesellschaft“ eine soziale Ausrichtung der Union. Thomas Kreuzer, der Vorsitzende der CSU-Fraktion im bayerischen Landtag, fügt dem Wunschzettel eigens noch die Rettung des Verbrennungsmotors hinzu, damit die Grünen Bescheid wissen. Kreuzer ist es auch, der den bleibenden Unmut seiner Fraktion über Kanzlerin Angela Merkel formuliert, wenn er in seinem tiefen Bass knurrt, die Malaise sei „ausgelöst worden durch die Flüchtlingspolitik 2015“. Die CSU jedenfalls sieht sich für das Debakel bei der Bundestagswahl nicht verantwortlich. „Das war ein Trend in ganz Deutschland“, sagt auch Parteichef Seehofer, „das war kein bayerisches Ergebnis.“ Also: Weshalb sollte der Ober-Bayer dann abtreten?

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