Politik Der tiefe Fall eines Politstars

Sun Zhengcai galt lange Zeit als potenzieller Nachfolger von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping. Doch auf dem Nationalen Volkskongress im März hat die chinesische Führung die bis dahin geltende Beschränkung der Amtszeit für den Präsidenten aufgehoben. So ist es völlig ungewiss, wann es in China einen Wechsel an der Spitze geben wird. Sun aber muss sich diesen Posten noch aus einem anderen Grund aus dem Kopf schlagen. Das Volksgericht der Stadt Tianjin hat den einstigen Politstar gestern zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Richter sehen es als erwiesen an, dass Sun Bestechungsgelder in Höhe von umgerechnet 21 Millionen Euro angenommen hat. Im Gegenzug habe er Firmen, Organisationen und Einzelpersonen Vorteile verschafft, etwa bei Bauaufträgen in seiner Zeit als Parteichef in der 30-Millionen-Metropole Chongqing. Sun werden „sämtliche politischen Rechte“ auf Lebenszeit entzogen, sein Eigentum wird beschlagnahmt. Sun war Mitglied im 25-köpfigen Politbüro der Kommunistischen Partei, dem zweithöchsten Gremium in China. Der 54-Jährige galt innerhalb der Führung als sehr einflussreich. Doch im vergangenen Juli wurden überraschend Korruptionsvorwürfe gegen ihn laut. Zwei Monate später schloss ihn die Parteispitze aus der Kommunistischen Partei aus. Das Urteil war damit im Grunde schon gesprochen. Denn in China hat das Wort der Partei mehr Gewicht als ein Gerichtsurteil. Seit Xi Jinping an der Staats- und Parteispitze steht, überrollt er das Land mit einer Anti-Korruptions-Kampagne. Er werde weder „Tiger noch Fliegen“ verschonen, kündigte er an. Bislang sind mehr als 1,3 Millionen Beamte und Parteifunktionäre bestraft worden. Korruption ist im chinesischen Staats- und Parteiapparat bis heute weit verbreitet. Doch immer wieder kommt der Verdacht auf, dass vor allem bei den Verurteilungen ranghoher Kader ein anderer Aspekt eine Rolle spielen könnte: die Beseitigung potenzieller Widersacher von Xi. Sun genoss zeitweise das Vertrauen des Staatspräsidenten. Doch bei einem Parteitreffen 2017 wurde ihm plötzlich vorgeworfen, sich mit anderen gegen Xi verschworen zu haben. Wenige Wochen später folgten die Korruptionsvorwürfe.

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