Leitartikel Bremsspuren beim Bio-Boom

Für viele Verbraucher gehören gerade Obst und Gemüse aus Bio-Anbau zu einer gesunden Ernährung.
Für viele Verbraucher gehören gerade Obst und Gemüse aus Bio-Anbau zu einer gesunden Ernährung.

Der lange Aufwärtstrend bei Bio-Lebensmitteln hat durch die hohe Inflation eine Delle bekommen. Es ist aber richtig, Nahrungsmittel umweltschonender zu produzieren, auch wenn das zu etwas höheren Preisen führt.

Die durch die Kürzung der Agrardiesel-Subventionen ausgelösten Bauernproteste haben das Thema Landwirtschaft stark in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt. Dabei wurde immer wieder deutlich, dass viele Landwirte das Gefühl haben, dass sie für ihre Produkte keine angemessenen Preise bekommen. Hier klafft eine oft große Lücke zwischen als gerecht empfundenen und am Markt erzielten Preisen.

Höhere Erzeugerpreise sind – neben einer oft großen Dosis Idealismus – für viele Landwirte ein Anreiz, auf Bio-Anbau umzustellen. Dabei gibt es aber besonders in der Umstellungsphase eine Durststrecke zu überwinden, wenn der Betrieb noch nicht die höheren Preise für Bioprodukte bekommt. Für diese Phase sind staatliche Zuschüsse besonders wichtig.

Verbraucher zahlen einen Qualitätszuschlag

Die höheren Preise für Bioprodukte sind letztlich eine Art Qualitätszuschlag, den eine über die Jahre deutlich gewachsene Anzahl von Verbrauchern zu zahlen bereit ist. Dabei lässt sich kaum eindeutig nachweisen, dass Bio-Produkte gesünder sind als Produkte aus konventioneller Landwirtschaft, auch wenn einiges dafür spricht. Klar ist allerdings, dass der Verzicht auf Pestizide und Kunstdünger die Umwelt schont.

Die lange Jahre anhaltende Aufwärtsentwicklung der Biolebensmittelbranche hat allerdings 2022 eine Delle bekommen. Grund dafür war vor allem die Abfolge aus einer zunächst einmal beschleunigten Aufwärtsentwicklung während der Corona-Krise, in der Verbraucher bereit waren, einen größeren Teil ihres Budgets für hochwertige, zu Hause verzehrte Lebensmittel auszugeben, und einem darauf folgenden Einbruch durch die vom Krieg in der Ukraine ausgelöste Inflation. Letztere führte dazu, dass bei zahlreichen Verbrauchern das Geld auch für Lebensmittel nicht mehr so locker saß. Viele, die dennoch Wert auf Bio-Produkte legen, kauften sie nun verstärkt im Supermarkt oder beim Discounter und weniger im Bio-Fachhandel. Letzterer hatte deshalb unter der Inflation besonders zu leiden, obwohl die Preissteigerungen bei Bio-Produkten im Schnitt geringer waren als bei konventionellen. Verstärkt wurde der Trend zum Kauf beim Discounter nicht zuletzt durch die Aufsehen erregende Kooperation von Lidl mit Bioland-Betrieben, die strengere Regeln zu befolgen haben als die von der EU geregelten Mindestanforderungen an Bio-Produkte.

Schweiz und Österreich sind schon weiter

Laut dem Branchenverband BÖLW ist die Bio-Anbaufläche in Deutschland 2023 weiter gewachsen und beträgt jetzt rund 1,94 Millionen Hektar. Damit werden nun knapp 12 Prozent aller landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland ökologisch bewirtschaftet.

Die Anzahl der Bio-Höfe blieb 2023 mit rund 36.500 und einem Anteil von 14,3 Prozent aller Betriebe aber weitgehend gleich. Das Ziel der Bundesregierung, den Anteil der Bio-Anbaufläche bis 2030 auf rund 30 Prozent zu steigern, wirkt in dieser Perspektive sehr ambitioniert und lässt sich wohl nur durch eine entschiedenere und effektivere Förderung erreichen. Dass es durchaus Potenzial für eine positive Entwicklung gibt, zeigt vor allem ein Blick in zwei Nachbarländer. Lag der Pro-Kopf-Umsatz mit Bio-Produkten 2022 in Deutschland bei 184 Euro, gaben die Österreicher im Schnitt 287 Euro dafür aus, die Schweizer sogar umgerechnet 441 Euro.

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