Neues aus der Redaktion Bezahlte Interviews?

Als Kanzler ist Olaf Scholz ein gefragter Gesprächspartner.
Als Kanzler ist Olaf Scholz ein gefragter Gesprächspartner.

Die Berichterstattung über Journalisten, die für Interviews mit Politikern bezahlt wurden, ist auf große Resonanz gestoßen.

Liebe Leserinnen und Leser,
was für ein Aufregerthema: Bezahlen Kanzleramt und Ministerien Journalisten, die den Bundeskanzler oder Regierungsmitglieder interviewen? Haben sie gar selbst festgelegt, welcher Journalist sie interviewen soll?

Auslöser des Ganzen war, was die Berliner „taz“ herausgefunden hat: Dass die heutige Pro-Sieben-Moderatorin und frühere Tagesschau-Sprecherin Linda Zervakis für ein Interview mit dem Bundeskanzler Olaf Scholz eine „Aufwandsentschädigung“ von mindestens 1130,50 Euro erhalten hatte, und zwar vom Kanzleramt selbst. Das Interview fand auf der Digitalmesse „re:publica“ 2022 in Berlin statt. Das Kanzleramt hat diese und andere Zahlungen bestätigt und auch erklärt, dass es Zervakis selbst als Interviewerin für die „re:publica“ bestellt habe.

Schlechtes Licht auf unabhängigen Journalismus

Das wirft ein schlechtes Licht auf den unabhängigen Journalismus, auf das Kanzleramt und übrigens auch auf den Veranstalter der Digitalmesse. Wie kann der sich überhaupt darauf einlassen, sich vom Kanzleramt vorschreiben zu lassen, wer Scholz interviewt, und sich den Interviewer dann auch noch bezahlen zu lassen?

Ich glaube nicht, dass die Journalistin Zervakis käuflich ist. Aber den Verdacht, dass es so sei, bekommt sie nicht mehr aus der Welt. Ich verstehe gar nicht, dass Journalisten sich für Interviews von den Befragten oder deren Arbeitgebern Geld geben lassen.

Wann Honorare in Ordnung sind

Es ist in Ordnung, wenn ein freier Journalist ein Honorar dafür bekommt, dass er für ein Medium ein Interview macht. Dann bekommt er das Honorar von dem Medium, nicht vom Interviewten. Es ist in Ordnung, wenn festangestellte Redaktionsmitglieder im Auftrag eines Verbandes, einer öffentlichen Einrichtung, einer Stiftung oder einer Kirchengemeinde eine Veranstaltung oder Diskussion moderieren und dafür vom Veranstalter honoriert werden. Denn dann sind sie wegen ihrer beruflichen Qualifikation, zu der Neutralität gehört, und wegen ihrer Fachkompetenz dafür gefragt.

Ich selbst nehme als RHEINPFALZ-Chefredakteur grundsätzlich keine Honorare an für Vorträge, Moderationen oder Interviews – egal, ob im Fernsehen, im Rundfunk oder bei öffentlichen Veranstaltungen. Wenn der Veranstalter mir trotzdem ein Honorar zahlen will, bitte ich darum, es für einen wohltätigen Zweck zu spenden. Wenn Veranstalter das nicht machen wollen, spende ich selbst das Honorar für einen Zweck meiner Wahl. Die Spendenquittung dafür mache ich bei meiner Steuererklärung geltend.

Wenn mir ein Veranstalter ein oder zwei Flaschen Wein schenkt, sage ich nicht Nein. Guter Wein ist immer ein geeignetes Dankeschön – zumal, wenn er aus der Pfalz ist.

Herzliche Grüße

Ihr Michael Garthe

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