Leitartikel Bei den vielen weltweiten Wahlen geht es auch ums Weltklima

Mit besonderer Spannung wird nach Amerika geschaut, wo aller Voraussicht nach der nächste US-Präsident Joe Biden (links) oder Do
Mit besonderer Spannung wird nach Amerika geschaut, wo aller Voraussicht nach der nächste US-Präsident Joe Biden (links) oder Donald Trump heißen wird.

In diesem Jahr dürfen rund 45 Prozent der Weltbevölkerung wählen gehen. Ihr Votum wird auch die (globale) Klimapolitik beeinflussen. Ein Land freilich ist nicht dabei – es übt dennoch einen sehr großen Einfluss aus.

Wenn in Deutschland in einem Jahr eine Bundestagswahl sowie gleichzeitig Urnengänge in wichtigen Bundesländern anstehen, fällt gerne der Begriff „Superwahljahr“. Ein solches „Superwahljahr“ ist auch das Jahr 2024 – aber mit Blick auf den gesamten Erdball. In über 60 Staaten (inklusive den 27 in der Europäischen Union) dürfen 3,6 Milliarden Menschen über ihre künftigen Regierungen abstimmen; das ist fast die Hälfte der Erdbevölkerung. So viel wie noch nie in einem Jahr.

Diese Wahlen werden Auswirkungen darauf haben, wie sich die internationalen Beziehungen gestalten. Davon besonders betroffen ist die Klimapolitik. Denn wie sich ein Land zur Erderwärmung positioniert, welche Ziele eine Regierung dabei verfolgt, entscheidet nicht nur mit darüber, was zuhause in puncto Klimaschutz und wirtschaftlichen Veränderungen passiert. Es geht auch um Geopolitik, um Verbündete und Gegenspieler. Und es geht darum, was aus dem gemeinsamen Bemühen wird, die sich verschärfende Klimakrise abzuschwächen.

Auch Diktatoren lassen wählen

Einschränkend muss hinzugefügt werden: Längst nicht alle Wahlen in diesem Jahr sind demokratisch. Auch Diktatoren lassen schließlich wählen oder haben bereits wählen lassen. Dazu zählen Russland, Aserbaidschan oder der Iran. In diesen Ländern werden Wahlen die nationale Klimapolitik denn auch kaum beeinflussen. Doch es gibt Staaten und Staatenbünde, in denen sich einiges gravierend ändern könnte.

Dazu zählt zuvorderst die Europäische Union. Am 9. Juni wird das neue EU-Parlament gewählt. Die Wahl hat zugleich Einfluss auf die Zusammensetzung der EU-Kommission in Brüssel, die zuständig ist für europäische Rechtsvorschriften.

Für die amtierende EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen war die Klimaschutzpolitik in fünf Jahren Amtszeit sozusagen eine Herzensangelegenheit. Jüngst allerdings haben die Proteste auf der Straße eine neue Richtung genommen – gegen Klimaschutzauflagen. Rechte und konservative Parteien haben sich diese Proteste zu eigen gemacht. Daher ist fraglich, ob von der Leyen, die erneut Spitzenkandidatin ihrer konservativen Parteienfamilie EVP ist, bei einer Wiederwahl ihre Politik weiterverfolgen würde. Weiterverfolgen könnte.

Aus Pariser Vertrag ausgestiegen

Mit besonderer Spannung wird auch das absehbare Duell in den USA zwischen den Präsidentschaftskandidaten Joe Biden und Donald Trump betrachtet. Eine der ersten Amtshandlungen Trumps in seiner ersten Amtszeit (2017-2021) war es schließlich, aus dem 2015 beschlossenen Pariser Welt-Klimaschutzvertrag auszusteigen.

Ganz maßgeblich beeinflusst wird die globale Klimapolitik indes noch von einem Land, in dem überhaupt nie gewählt wird: China. Es ist nach Anzahl der Einwohner der zweitgrößte Staat – und der größte Verursacher von Treibhausgasen. Aber: Die zweitgrößte Volkswirtschaft hat inzwischen so viele Solaranlagen installiert wie der Rest der Welt zusammen. Die Chinesen haben inzwischen viel Know-how angesammelt bei den Erneuerbaren Energien. Solarzellen und Windkraftanlagen verkaufen sie weltweit sehr günstig, was nicht zuletzt deutsche Hersteller ins Wanken bringt. Auch bei E-Autos sind chinesische Hersteller führend. In all diesen Bereichen gibt es im Reich der Mitte zugleich massive Überkapazitäten.

Wie Peking mit all diesen in Zusammenhang mit dem Klima stehenden Problemen umgeht, wird auf die internationale Klimapolitik mindestens ebenso großen Einfluss haben wie die Wahlen in den wichtigen Demokratien.

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