Politik Auf Friedensmission

Papst Franziskus besucht bis Sonntag Kolumbien, das drittgrößte Land Lateinamerikas. Es ist schon deswegen ein historischer Besuch, weil der aus Argentinien stammende Papst das erste Oberhaupt der katholischen Kirche seit 31 Jahren ist, das Kolumbien besucht. Damals war es ein anderes Land: Große Teile waren in den Händen linker Rebellen.

„Heute sind wir Kolumbianer bereit, dem Papst zuzuhören. Das war früher nur sehr wenig der Fall“, sagt der Erzbischof von Bogotá, Kardial Rubén Salazar, der RHEINPFALZ. „Kolumbien geht heute neue Wege, um Dinge zu verändern.“ Spricht man mit den Menschen in Bogotá über den Besuch, ist eine nachdenkliche Erwartung spürbar, aber keine Euphorie wie in anderen Ländern der Region. Die Kolumbianer sind nüchterner, aber auch stolz. „Die Welt schaut jetzt auf unser Land, das gefällt mir“, sagt Jhon Morente, ein junger Restaurator, und lässt die Augen über die Kathedrale auf der Plaza Bolívar im Herzen Bogotás schweifen. Die Kuppel erstrahlt in neuem, kräftigem Rot. „Wir hoffen aber, dass der Papst auch über den Frieden redet, wir brauchen eine Wiedergeburt nach so vielen Jahren des bewaffneten Konflikts.“ Morente ist 25 Jahre alt. Er kennt seine Heimat nur als Land im Bürgerkrieg. 250.000 Tote, 100.000 Vermisste und sieben Millionen Vertriebene sind der bittere Saldo eines Konflikts, der 53 Jahre gedauert hat und noch immer nicht ganz zu Ende ist. „Ihr Kolumbianer sollt euch als Brüder und nicht als Feinde begegnen“, mahnte Franziskus am Montag aus dem Vatikan in seiner Grußbotschaft. Zwar betont die Katholische Kirche Kolumbiens, die Visite des Papstes sei ein normaler Pastoralbesuch, aber jeder weiß, dass die Reise eine hohe politische Bedeutung hat. Das Land befindet sich in einem historischen Moment seiner Geschichte. Der Friedensschluss mit den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens (FARC), der ältesten und größten Guerilla Amerikas, ist seit einem Jahr unterzeichnet. Auch wenn es holpert mit der Umsetzung, kommt sie doch voran. Gerade erst haben sich die FARC in eine politische Partei verwandelt, die schon bei den nächsten Wahlen antritt. Mit der kleineren Linksguerilla ELN (Nationales Befreiungsheer) verhandelt die Regierung von Präsident Juan Manuel Santos seit Monaten in Ecuador über ein Friedensabkommen. Pünktlich zum Besuch des Papstes haben die Konfliktparteien jetzt eine viermonatige Waffenruhe vereinbart – zum ersten Mal in 50 Jahren Konflikt. Sie soll ab dem 1. Oktober gelten – zunächst bis Mitte Januar. Der Schritt ist sicherlich auch ein Willkommensgeschenk der ELN für den Papst, denn die marxistische Guerilla wurde einst von aktiven Christen geprägt. Der bekannteste war der Befreiungstheologe Camilo Torres, der 1966 bei seinem ersten Gefecht ums Leben kam, aber heute noch das Idol von Linken und progressiven Katholiken ist. Torres schloss sich der ELN an, weil er nur im bewaffneten Kampf wirkliche Chancen auf Veränderungen in Kolumbien sah. Zu gravierend war die Ungleichheit, zu sehr sperrten sich die Besitzenden gegen Veränderungen. Das hat sich kaum verändert, nur wissen heute alle, dass der bewaffnete Kampf kein Weg zur Verbesserung ist. Aber das Gefälle zwischen Stadt und Land ist nach wie vor steil, Landraub durch die Mächtigen vielerorts Routine. Der Staat schafft es auch nach dem Friedensschluss mit den FARC nicht, schnell genug mit Verwaltung, Schulen, Polizei und Militär in die von der Guerilla verlassenen Zonen einzurücken. Dieses Vakuum füllen andere bewaffnete Akteure – die ELN, ultrarechte Paramilitärs, Drogenbanden. Davon kann auch Ober Celestino erzählen. Der 37-Jährige malt am Rande der Plaza Bolívar ein Transparent, das er unbedingt dem Papst zeigen will, wenn der am Donnerstagvormittag die Kathedrale besucht. „Papa, die ganze Welt soll wissen, dass die Regierung ihre Versprechen nicht erfüllt“, steht darauf. Celestino und hundert andere Opfer des Konflikts sind nach Bogotá gekommen, um den Papst auf ihr Leiden aufmerksam zu machen. Der einfache Bauer wurde vor 16 Jahren im Norden Kolumbiens durch Paramilitärs von seinem Grund und Boden vertrieben. Seither hofft er, dass die Regierung ihm das bietet, was sie versprochen hat: Unterkunft, Ausbildung, wirtschaftliche Perspektive: „Nichts davon haben sie erfüllt“, klagt Celestino: „Hier reden alle vom Frieden. Aber für uns Vertriebene ist der ganz weit weg.“

x