Mannheim Tödlicher Polizeieinsatz: Ermittlungen auch gegen Arzt

tatort

Die Staatsanwaltschaft hat zwei Polizisten angeklagt, weil sie mit übermäßiger Gewalt im Mai den Tod eines psychisch Kranken in Mannheim verschuldet haben sollen. Ermittelt wird aber auch gegen einen weiteren Beteiligten, der nicht zu den Ordnungshütern gehört.

Fast sechs Minuten lang lassen die Polizisten den 137 Kilogramm schweren Mann am 2. Mai gefesselt und bäuchlings am Mannheimer Marktplatz auf der Straße liegen, ehe sie ihn umdrehen. Da allerdings ist der psychisch Kranke schon bewusstlos, um 13.44 Uhr wird er für tot erklärt. Die spätere Analyse der Rechtsmediziner besagt: Gestorben ist der 47-Jährige, weil er nicht mehr richtig atmen konnte – wegen des Drucks auf den Oberkörper. Und weil er Nasenbluten hatte, seit ihm einer der beiden Beamten im Gerangel zwei Faustschläge verpasst hatte.

Der erste Fehler

Diesen Polizisten hat die Mannheimer Staatsanwaltschaft jetzt formell angeklagt, vor allem wegen „Körperverletzung im Amt mit Todesfolge“. Und auch seinen Kollegen wollen die Strafverfolger vor Gericht stellen: weil er nicht dazwischengegangen sei und sich so der „fahrlässigen Tötung durch Unterlassen“ schuldig gemacht habe. Dabei waren die beiden Beamten eigentlich alarmiert worden, weil sie den psychisch kranken kroatischen und deutschen Staatsbürger vor sich selbst schützen sollten. Er litt schon seit 2009 an einer paranoiden Schizophrenie, war deshalb in Behandlung.

Weil sich sein Zustand zuletzt wieder verschlechtert hatte, war er an seinem Todestag ins Zentralinstitut für Seelische Gesundheit gegangen. Doch noch während der Aufnahmeprozedur in dieser psychiatrischen Klinik in der Mannheimer Innenstadt lief er auf einmal weg. Ein Arzt folgte daraufhin dem offensichtlich verwirrten 47-Jährigen bis in die Nähe der Polizeiwache im Quadrat H4. Dort klingelte der Mediziner und bat die Beamten um Beistand: Sie sollten ihm helfen, den Patienten zurück ins Krankenhaus zu bringen – weil er in seinem Zustand zu einer Gefahr für sich selbst werden könnte.

Polizist kassiert Faustschläge

Also kamen zwei Polizisten heraus und redeten mit dem Kranken. Doch der lief den Ermittlungen zufolge weiter in Richtung Marktplatz, einer der Uniformierten versprühte deshalb Pfefferspray. Was ein erster Fehler war, wie die Staatsanwaltschaft nun befindet: Zeugen zufolge soll der 47-Jährige gestikuliert, aber die Beamten nicht attackiert haben. Weshalb der Reizstoff-Einsatz – zumal gegen einen verwirrten Mann – überzogen gewesen sei. Allerdings blieb das Abwehrspray ohnehin ohne körperliche Wirkung, der Deutsch-Kroate beschleunigte nur seine Flucht.

Also sprang ihn einer der beiden Polizisten von hinten an. Woraufhin der Kranke ihm mindestens zweimal mit der Faust gegen den Kopf schlug – und von dem Beamten und seinem Kollegen schließlich in einem Zehn-Sekunden-Gerangel überwältigt wurde. Dass einer der zwei Ordnungshüter dem 47-Jährigen nun seinerseits Faustschläge verpasste, bezeichnet die Staatsanwaltschaft als unverhältnismäßig. Außerdem sagen die Strafverfolger: Ihren Vorschriften zufolge hätten die Polizisten den Gefesselten möglichst schnell auf die Seite drehen müssen.

Die Rolle der Schaulustigen

Warum sie ihn stattdessen fast sechs Minuten lang in Bauchlage beließen, ist bislang offen. Zur Rekonstruktion des Gesamthergangs haben sich die Strafverfolger vor allem auf Filme aus Überwachungskameras und Zeugen-Handys gestützt. Doch für die entscheidenden Minuten fehlen aussagekräftige Bilder. Und die beschuldigten Polizisten haben zu dem Vorfall bislang weitgehend geschwiegen. Ausgeschlossen hat die Staatsanwaltschaft mittlerweile allerdings, dass Störer die beiden Beamten angingen und sich deshalb nicht richtig um den 47-Jährigen kümmern konnten.

In der Anklage steht: Einzelne Schaulustige konnten die Einsatzkräfte schon nach gut zwei Minuten wegschicken. Aufgeheizt habe sich die Stimmung vor Ort erst, als schon Verstärkung da war. Jedoch gibt es jemanden, der auch schon vorher polizeifeindliche Stimmung bemerkt haben will: den Arzt aus dem Zentralinstitut für Seelische Gesundheit, der dem 47-Jährigen vom Klinikgelände aus gefolgt war, die Beamten um Hilfe geben hatte und in ihrer Nähe geblieben war.

Schweigerecht für Mediziner

Doch die Staatsanwaltschaft rechnet nach RHEINPFALZ-Informationen damit, dass er in einem Prozess gegen die zwei Polizisten die Aussage verweigern könnte. Das Recht dazu wird er wohl haben, da gegen ihn ein Ermittlungsverfahren läuft. Wie bei dem einen Polizisten geht es auch bei ihm um „fahrlässige Tötung durch Unterlassung“, weil auch er nicht eingegriffen hat, als sein Patient fast sechs Minuten lang gefesselt und bäuchlings auf der Straße lag.

x