Tabu-Thema Tod Weiterleben nach dem Tod des Partners – eine Betroffene erzählt

 Margit Grimm und ihr Mann Jürgen.
Margit Grimm und ihr Mann Jürgen.

Margit Grimm hat ihren Mann verloren. Auch wenn es schmerzt, will sie ihre persönliche Geschichte mit anderen teilen. Und diesen damit Hoffnung geben.

Es ist der zweite Mann, den sie bis zum Tode begleitet hat. Im Jahr 2022 hat Margit Grimm ihren geliebten Ehemann verloren. Das Begleiten bis zum Schluss, das Loslassen-Müssen – all das hat sie vor einigen Jahren mit ihrem Schwiegervater schon einmal durchgemacht. Lungenkrebs. Ihren Ehemann Jürgen verlor sie nach fünf Jahren Krankheit – ebenfalls Lungenkrebs. Der Schmerz sei groß, sagt Grimm. Doch das Ende sei auch erlösend gewesen. Wie schwer es ihr gefallen ist, ihn gehen zu lassen, kann man spüren, wenn sie erzählt. „Er war ein Schaffer – konnte aber schon lange nichts mehr tun. Das war das Schlimmste“, sagt Grimm.

Mit Tränen in den Augen erinnert sie sich an die Nacht, in der es passiert ist. Es war der 3. August. Auf den Tag genau 42 Jahre zuvor hatte sie ihn kennen gelernt. Heute ist sie 62 Jahre alt und sagt: „Diese Nacht vergesse ich nie.“

Familie und Freunde wenden sich ab

Es sei hart für sie, davon zu erzählen. Dennoch will sie, dass Menschen, die das gleiche erleben, wissen, dass es wieder besser wird. Dass es Hilfe gibt. Sie will, dass der Tod eines geliebten Menschen kein Tabu-Thema mehr ist. Und sie will, dass Freunde und Verwandte sich nicht abwenden – auch nicht aus Angst, etwas Falsches zu sagen. Für Angehörige von Trauernden hat sie deshalb einen Rat: „Geht auf denjenigen zu, einfach fragen, ob er oder sie etwas mit euch machen will.“ Viel schlimmer als etwas Falsches zu sagen, sei es, nichts zu sagen.

Trauerbegleiterin Gundula Engels kümmert sich seit vielen Jahren um Menschen, die trauern. Auf die Frage, was diesen eigentlich hilft, antwortet sie: „Dass jemand da ist, der den Mut hat, mit in die Trauer hineinzugehen.“ Sie bestätigt Grimms Erfahrung: Viele Menschen hätten Angst und würden sich deshalb nicht melden. Oft auch aus Hilflosigkeit.

„Zweifel sind besonders schlimm“

Ihr Tipp: nachfragen, was man tun kann. Wenn Betroffene sich zurückziehen, solle man trotzdem Hilfe anbieten und auf Hilfsangebote hinweisen. Viele wüssten nicht, dass es Trauergruppen und ähnliches gebe.

Gundula Engels im Garten ihrer Gesundheitspraxis in Nackterhof
Gundula Engels im Garten ihrer Gesundheitspraxis in Nackterhof

Die Zeit direkt nach dem Tod ihres Mannes sei sehr anstrengend gewesen, sagt Margit Grimm: Beerdigung organisieren, Entscheidungen treffen, Musik und Deko aussuchen. Besonders schlimm seien ihre Zweifel gewesen: „Habe ich alles richtig gemacht?“

Was hilft?

Geholfen habe ihr, sich zu zwingen, unter Leute zu gehen. Auch Meditation habe ihr geholfen, sich an kleinen Dingen zu erfreuen, an der Natur, an lieben Menschen, wie ihren Enkeln. Kurz bricht Grimms Stimme, als sie von der Beziehung zwischen ihrem jüngsten Enkel und ihrem Mann berichtet: „Die beiden waren ein Herz und eine Seele. Wenn er angerufen hat, war die erste Frage immer: Wo ist Opa? Und als ich zum ersten Mal mit ihm auf dem Friedhof war, hat er das Kreuz umarmt und gesagt, ,Hallo Opa, ich bin da’. Alle drei Enkel vermissen den Opa wirklich sehr.“

Margit und Jürgen Grimm beim Ausflug mit dem Enkel.
Margit und Jürgen Grimm beim Ausflug mit dem Enkel.

Trauerbegleiterin Gundula Engels empfiehlt ebenfalls, zu versuchen, rauszukommen. Dabei helfe der Besuch eines Trauer-Treffs, neue Hobbies ausprobieren oder vielleicht einen Sport anzufangen. Wichtig sei zunächst, den Alltag zu meistern: genügend essen, Routinen entwickeln. Wem es gut tue, der könne den Gang auf den Friedhof zu einem Ritual machen. Engels schränkt aber gleich ein: „Man darf auch den Mut haben, nicht hinzugehen, wenn es einem nicht gut tut.“ Wer merke, dass er sein Leben und den Haushalt nicht allein bewerkstelligen könne, solle sich Hilfe suchen. „Habt den Mut, schwach zu sein. Das ist okay“, sagt Engels. Auch ein Umzug in eine neue Wohnung würde manchen helfen.

Neu lernen, allein zu sein

Margit Grimm sagt, sie habe es zwei Monate nach dem Tod ihres Mannes in ihrem Haus nicht mehr ausgehalten. Glücklicherweise habe sie schnell etwas Neues in Carlsberg (Leiningerland) gefunden. Die Frau, die vor ihr in ihrer jetzigen Wohnung gewohnt habe, sei 82 Jahre alt und habe ebenfalls erst kürzlich ihren Mann verloren. „Ich habe sie mit in die Trauergruppe genommen und sie hat sich dort öffnen können.“ Grimm habe die Trauer-Gruppe in Nackterhof (Leiningerland) erst über Ecken gefunden, ist jetzt aber begeistert. Die Gruppe wird ehrenamtlich von Gundula Engels geleitet. Acht bis neun Leute seien pro Termin dabei.

Gundula Engels mit dem „Sorgenfresser“-Kuscheltier und ihren Klangschalen im Hintergrund.
Gundula Engels mit dem »Sorgenfresser«-Kuscheltier und ihren Klangschalen im Hintergrund.

Nach dem Tod ihres Mannes musste Margit Grimm erst einmal lernen, alleine zu sein. „Ich habe meinen Mann mit 19 Jahren kennengelernt. Ich war seit über 40 Jahren nie wirklich allein“, sagt sie. Auch da habe die Gruppe geholfen – genau wie ihr Glaube. „Auch wenn ich ihn da oben nicht hören kann, ich kann die Hände falten und einfach Mal Danke sagen.“ Sie sei mennonitisch erzogen worden. Ihre Religion habe sie lange nicht gelebt und erst bei der Krankheit ihres Schwiegervaters wieder dazu gefunden.

Darf man sich neu verlieben?

Nach dieser schwierigen Zeit hat Grimm zwei Ratschläge: „Man sollte die Zeit genießen, solange man sich hat.“ Ihr zweiter Rat: früh über den Tod sprechen. Und die Ergebnisse am besten aufschreiben. Gundula Engels sagt, sie erlebe häufig, dass sich Familien darüber streiten, was der Verstorbene wohl gewollt hätte. Da helfe es, wenn das von Anfang an klar ist.

Auch die Frage, ob man sich neu verlieben „darf“, sollte am besten früh geklärt werden. Wenn Hinterbliebene einen neuen Partner oder Partnerin finden, hätten diese häufig Gewissensbisse oder schämten sich dafür. „Wenn man jemand Neues kennen lernt, heißt das nicht, dass man den Verstorbenen vergisst. Aber das Leben geht weiter“, sagt Engels. Ob sich Margit Grimm noch einmal neu verlieben wird, weiß sie noch nicht. Aber sie ist sich sicher, dass Jürgen nicht gewollt hätte, dass sie einsam ist. „Ich höre ihn fast sagen: Mir geht’s gut hier. Mach du dein Ding“.

 

Trauergruppen finden

- Hausärzte kennen die Angebote oft
- trauergruppe.de
- gute-trauer.de
- Gundula Engels: gundulaengels.de

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