Volkmarsen Volkmarsen: Noch weit entfernt von Normalität

Luftballons und Polizei: Volkmarsen am Tag, nach dem ein 29-Jähriger seinen Wagen in den Rosenmontagsumzug steuerte.
Luftballons und Polizei: Volkmarsen am Tag, nach dem ein 29-Jähriger seinen Wagen in den Rosenmontagsumzug steuerte.

Noch immer ist unklar, warum ein 29-Jähriger am Rosenmontag mit seinem Auto in den Fasnachtsumzug im hessischen Volkmarsen steuerte. Ein Psychotherapeut gibt Tipps, wie man sich angesichts solch verstörender Ereignisse verhalten sollte.

Der Wind zerrt an den Planen, die den Tatort in Volkmarsen vor Blicken abschirmen sollen. Überall im Ortskern stehen noch Polizeiwagen. Einsatzkräfte sind an diesem Dienstagmorgen kaum auf der Straße – ebenso wie Bewohner. Einen Tag nach dem Vorfall, bei dem ein Auto in eine feiernde Menschenmenge raste, ist die nordhessische Kleinstadt weit entfernt von Normalität.

Das Auto war beim Rosenmontagszug in die Menge gefahren. Am Steuer saß ein 29 Jahre alter deutscher Staatsbürger, der aus Volkmarsen kommt. Er wurde festgenommen. Sein Motiv ist auch am Dienstag noch unklar. Die Anzahl der Verletzten stieg bis zum frühen Nachmittag auf fast 60, die Anzahl der verletzten Kinder lag bei 18.

Taten betreffen das grundlegende Sicherheitsgefühl

Taten wie in Volkmarsen beträfen massiv das grundlegende Sicherheitsgefühl der Menschen, sagt der Essener Angstexperte Christian Lüdke. „Das erste Mal drastisch gesehen haben wir das nach den Terroranschlägen in New York, dass wir im Grunde genommen nirgendwo sicher sind.“ Es folgten Anschläge unter anderem in Fußgängerzonen, auf Weihnachtsmärkten und Konzerten.

Nach Taten wie in Volkmarsen entstehe jeweils ein neuer Fokus, auf den sich Aufmerksamkeit und Angst ausrichteten. Dies sei aber nur vorübergehend. Und sollte niemanden abhalten, „genau die Dinge zu tun, die wir geplant haben, mit den Kindern rausgehen, zum Umzug gehen oder zu einem Konzert“, wie Psychotherapeut Lüdke sagt.

Warnung vor „Angst vor der Angst“

Soll man trotz der schrecklichen Bilder aus Volkmarsen feiern? Diese Frage treibt am Faschingsdienstag Sicherheitsbehörden und Veranstalter in Hessen um. Am Vormittag entscheidet das Innenministerium in Wiesbaden, die Umzüge können starten. Es gebe keine konkreten Hinweise darauf, dass sich die Gefährdungslage erhöht habe. Der traditionelle Umzug im Frankfurter Stadtteil Heddernheim („Klaa Paris“) beispielsweise sollte sich am frühen Nachmittag pünktlich auf den Weg machen. „Wir wollen uns die Fastnacht nicht nehmen lassen“, sagt Ulrich Fergenbauer von der Zuggemeinschaft.

Kriminalexperte und Psychotherapeut Lüdke sagt, Ängste würden durch Vermeidung schlimmer. „Am Ende hat man Angst vor der Angst.“ Daher wäre es grundverkehrt, jetzt das Haus nicht mehr zu verlassen. Was man auch nicht tun sollte: zu viele Bilder oder Videos der Taten anzusehen. „Wenn ich mir permanent diese Bilder anschaue, und wir werden damit ja ganz extrem konfrontiert, manchmal sogar in Echtzeit, kann das dazu führen, dass vollkommene Unbeteiligte an ihren Bildschirmen genauso hoch belastet werden wie Betroffene direkt vor Ort.“

Auf seriöse Informationen achten

Spekulationen in sozialen Medien heizten Unsicherheit und Ängste zusätzlich an. Lüdke empfiehlt, seriöse Nachrichtenquellen zu nutzen. Solche Informationen, auch auf den Internetseiten der Polizei, gäben Sicherheit. Bereits in der Nacht zum Dienstag hatten die Beamten in Nordhessen dazu aufgerufen, keine Falschnachrichten im Netz zu teilen.

In Volkmarsen waren am Abend nach der Tat Spezialkräfte zweimal in Häuser im Ortskern vorgedrungen. Die Gebäude werden weiter von der Polizei abgeschirmt. Wer da wohnt? Keine Ahnung, sagt ein Anwohner. Der Name des Tatverdächtigen kursiert im Ort. Doch er kenne den Mann nicht.

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