Zweibrücken Zweibrücken: Die Einkaufsstadt steht wieder am Scheideweg

Immer wieder ein schlagender Beweis dafür, dass die Einkaufsstadt Zweibrücken geschätzt wird: der Kundenstrom in der Fußgängerzo
Immer wieder ein schlagender Beweis dafür, dass die Einkaufsstadt Zweibrücken geschätzt wird: der Kundenstrom in der Fußgängerzone an verkaufsoffenen Sonntagen. Das Bild entstand am 4. März.

Zweibrücken ist mit neun Ladenschließungen, die alleine in diesem Jahr bekannt wurden, hart getroffen. Die Mieter klagen über fehlende Kundschaft und damit zu geringe Umsätze. Der Gemeinsamhandel hat gezählt: Mehr als 20 Leerstände tun sich in und um die Fußgängerzone auf. IHK-Handelsexperte Andreas Knüpfer plädiert schon für einen weiteren City-Manager, der sich nur um das Füllen der Leerstände kümmert.

Wer dieser Tage vom Herzogplatz die Fußgängerzone hinauf Richtung Alexanderplatz geht, den fällt die Schwindsucht an. Am Eingang der Hallplatz-Galerie ist mit dem Auszug der CB Boutique ein weiterer Leerstand entstanden. Auch die Ladenlokale an der Hauptstraße 82 bis 78 (Wolle Rödel) stehen schon leer. Die Nummern 70 (Fenja Mode) und 68 (Agora Tee und Präsente) werden bald folgen. Gerry Weber, weiter oben in der Hausnummer 20, hat zum Jahresende die Aufgabe der Filiale Zweibrücken angekündigt. Und Cornelia Pitschel schließt heute ihre Creativ-Werkstatt Pico am Alexanderplatz. Auch verabschieden aus Zweibrücken wird sich das Wäsche-fachgeschäft Hallauer in der Mühlstraße/Ecke Schlossplatz. „Warum wir schließen?“ Inge Hallauer findet die Antwort so selbstverständlich wie die Frage. „Weil nix los ist in Zweibrücken, die Stadt ist mittags tot“, sagt sie. Morgens gebe es noch etwas Kundenfrequenz. Da suchten die Leute die Ärzte auf und schauten dann mal vorbei. Es werde aber stetig weniger. Inge Hallauer will ihr Hauptgeschäft in St. Wendel weiterführen. In Zweibrücken schließt sie Ende Mai oder Juni. Den Ausverkauf hat sie fett plakatiert.

„Die Leute bestellen halt immer mehr im Internet“

Auch Sabine Schmidt, die Inhaberin von Fenja Mode, klagt über leere Straßen am Nachmittag. Am Montag habe sie vier Stunden im Büro gesessen, gänzlich ohne Kundschaft. Christiane Peierle vom Tee- und Präsente-Geschäft Agora und Cornelia Pitschel klagen ebenfalls: „Zu wenig Umsatz.“ Sie schließen beide jetzt, um die Osterfeiertage. Bei Peierle kamen gesundheitliche Gründe hinzu. Sie hat einen längeren Krankenhausaufenthalt vor sich und wollte in dieser Zeit niemanden einstellen, weil sich das nicht lohne. Ab Mai seien die Umsätze beim Tee ohnehin mau. Und das Geschäft mit den Präsenten sei seit Jahren rückläufig. „Die Leute bestellen halt immer mehr im Internet“, sagt Peierle. Über zu hohe Mieten will sie nicht klagen. Besser: Nicht mehr. Der Vermieter sei ihr schon zweimal entgegengekommen. So sind entlang der Fußgängerzone und ihrer Seitenstraßen laut Andreas Michel, Vorsitzender des Händler- und Gewerbevereins Gemeinsamhandel, mehr als 20 Leerstände zusammengekommen. Mit Lammstraße und Fruchtmarktstraße, die vor Jahren zumindest noch 1b-Lagen waren, kommt er sogar auf 26. Woran liegt’s? Die These, dass der Einzelhandel in Zweibrücken in die Knie geht, weil die Immobilienbesitzer auf zu hohen Mieten pochen, ist für Immobilienmakler Hans-Peter Lanninger nicht haltbar. Er vermittelt Ladengeschäfte und hält jährlich Marktschau für seinen Verband IVD. Viele seiner Makler-Plakate hängen gerade in den Leerständen. Lanninger sagt: Selbst bei extrem flexibeler Mietpreis-Gestaltung mangele es schlicht an der Nachfrage. Früher, vor 15, 20 Jahren noch, habe man in Zweibrücken für einen Leerstand drei Interessenten gehabt und diesen nahezu nahtlos wieder füllen können. Das sei heute bei weitem nicht mehr so. „Und die Prognosen sind nicht gut“, weiß Lanninger. Die rasanten Umsatzsteigerungen im Online-Handel, und nicht nur sie, machten dem stationären Handel den Garaus. Natürlich nicht nur in Zweibrücken, aber eben jetzt ganz sichtbar auch hier. Von den Schließungen konnte lediglich die Fläche von Wolle Rödel an Gabriele Fuchs vermietet werden. Fuchs zieht nach einem Umbau mit ihrem Beautysalon aus dem zweiten Obergeschoss der Hauptstraße 90 um.

23 Euro pro Quadratmeter

Lanningers Branchenverband, der IVD, stellt von 2016 auf 2017 einen Rückgang der Angebotspreise in Zweibrücken fest. Ein Minus von 21 Prozent für kleine Läden bis 60 Quadratmeter und von 20 Prozent für Läden ab 100 Quadratmeter. Die Quadratmeterpreise liegen bei den kleinen Läden nun bei 23 Euro. Zum Vergleich: In Pirmasens liegen sie bei 20 Euro, in Ludwigshafen bei 25 Euro, in Kaiserslautern bei 50 Euro. Für größere Läden werden statt 22 Euro noch 17,50 Euro verlangt. Damit liegt Zweibrücken noch leicht über Städten wie Pirmasens und Frankenthal (16 Euro). So sehr der Preisrückgang dem ein oder anderen Mieter gelegen kommt – für den Immobilienbestand in der City könnte er der Anfang einer Abwärtsspirale sein. Andreas Knüpfer, Geschäftsführer des IHK-Dienstleistungszentrums für Pirmasens, Zweibrücken und die Südwestpfalz, empfiehlt, dass sich die Eigentümer und Händler der Fußgängerzone jetzt zusammensetzen und einen Katalog erstellen, was sie an Flächen haben – und neu gestalten können. Das laufe aber nicht so nach Feierabend. „Dafür brauchen sie jemand, am besten neben Frau Stricker noch einen weiteren City-Manager. Das wird verdammt noch mal kein Selbstläufer“, ist Knüpfer überzeugt. Gerade was die notwendige Anpassung und Steigerung der Attraktivität von Flächen angehe, brauche es einen Moderator. „Auch am Einzelhandelskonzept muss dringend was gemacht werden“, mahnt Knüpfer. Damit ist die Wirtschaftsförderung der Stadt bereits befasst, der Stadtrat hat zuletzt klare Signale gesetzt. Auch an der Online-Präsenz des stationären Handels müsse gearbeitet werden. Zweibrücken will eine ganz eigene Plattform schaffen, sagt Stadtsprecher Heinz Braun. Man gehe mit dem Gemeinsamhandel d’accord, nicht auf Lösungen von der Stange zu setzen. Es sei aber jetzt Zeit zu liefern. Bis Sommer soll es soweit sein, kündigt Anne Kraft von der Wirtschaftsförderung an. City-Managerin Petra Stricker betreut das Projekt.

„Zweibrücken hat ein gutes Standing, das darf man nicht schlechtreden“

Thomas Scherer, Hauptgeschäftsführer beim Handelsverband Mittelrhein-Rheinhessen-Pfalz, empfiehlt, „sehr viel Geld in die Hand zu nehmen und Schnittstellen zu den Warenwirtschaftssystemen der Händler zu schaffen“. Den Aufwand an Geld und Personaleinsatz für den Zwei-Wege-Handel solle niemand unterschätzen. Es brauche auch jemanden, der eine solche Online-Plattform pflegt, denn es sei für die Händler ein Aufwand wie für eine eigene Filiale, wenn man es gut machen wolle. Scherer ermutigt die Händler aber, diesen Weg konsequent zu gehen. Andreas Michel, der Vorsitzende von Gemeinsamhandel, ist sich der Mammutaufgabe bewusst. Michel wünscht sich, ja verlangt, einen „Kümmerer“, da die Einzelhändler dies alleine nicht bewältigen könnten. Klar sei, dass sich die Händler selbst massiv einbringen müssen. Ein Beispiel ist die Ausstattung der Läden mit offenem WLAN. Die Kunden mit Smartphones in der Tasche wünschten sich das, es gehöre heute zum Einkaufserlebnis dazu. Es sei wichtig, dass es offenes WLAN bald in jedem Zweibrücker Geschäft gebe. Die Einzelhändler sind Michel noch zu ängstlich, obwohl die Haftungsfrage längst geklärt sei. Er regt außerdem an, mit anderen, vergleichbaren Städte in Dialog zu treten und zu schauen, was die besser machen. Als Beispiele fallen ihm Nagold im Schwäbischen ein und das näher liegende Sankt Wendel. Sankt Wendel sei attraktiv. „Die machen vieles richtig“, sagt Michel. „Zweibrücken hat ein gutes Standing, das darf man nicht schlechtreden“, mahnt IHK-Mann Andreas Knüpfer. Bei aller berechtigter Kritik und im Wissen um die Herausforderungen dürfe man den notorischen Schwarzsehern nicht das Wort reden. Man müsse sich nur umsehen: Vergleichbare Städte hätten mindestens dieselben, wenn nicht größere Probleme wie Zweibrücken. Knüpfer sieht Handlungsbedarf, warnt aber davor, die Momentaufnahme als Dauerzustand zu begreifen. Die Dynamik im Einzelhandel dürfe man nicht verkennen. Nach und nach füllten sich Läden auch wieder – wenn man die richtigen Anreize setze. Schon mehrfach wurde dem Zweibrücker Einzelhandel das Totenglöckchen geläutet. Zuletzt Anfang der 90er Jahre , als mit den Amerikanern viel Kaufkraft abzog. Und Ende der 90er Jahre, als die Diskussion um die Outlet-Ansiedlung hochkochte. Der Handel wandelte sich, er verschwand aber nicht. So wird es wieder sein. Die Einkaufsstadt steht wieder an einem Scheideweg. Freilich: Darauf, was ein gewandelter Handel mit sich bringt, hat die Stadtverwaltung wenig Einfluss. Stadtsprecher Heinz Braun erinnert sich: Vor vier Jahren habe es einen Interessenten gegeben, der hochwertige Outdoor-Bekleidung verkaufen wollte, einen Laden in der Fußgängerzone im Auge hatte. Der Vermieter jedoch habe sich für einen Backshop entschieden. „Der Backshop jedenfalls war nach einem halben Jahr wieder zu“, stellt Braun nüchtern fest.

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