Zweibrücken „Sinnvoll und geboten“

1974 ehrt die Stadt Zweibrücken den ehemaligen Lehrer des Herzog-Wolfgang-Gymnasiums mit der Stadtplakette in Silber. Unser Arch
1974 ehrt die Stadt Zweibrücken den ehemaligen Lehrer des Herzog-Wolfgang-Gymnasiums mit der Stadtplakette in Silber. Unser Archivfoto zeigt Oberbürgermeister Helmut Fichtner (SPD) bei der Übergabe der Plakette an Hans Woelbing (rechts). Zehn Jahre zuvor erhält Woelbing zum Eintritt in den Ruhestand als Lehrer am Herzog-Wolfgang-Gymnasium die Stadtplakette in Bronze.

Eine historische Aufarbeitung des Wirkens und Schaffens von Hans Woelbing können sich Vertreter einiger Stadtratsfraktionen gut vorstellen. Allerdings sieht es momentan nicht so aus, als ob sie die Initiative ergreifen wollen, um dem ehemaligen VHS-Leiter, Lehrer am Herzog-Wolfgang-Gymnasium und Leiter der Bibliotheca Bipontina die Stadtplaketten in Bronze und Silber posthum abzuerkennen.

Woelbing, der 1980 gestorben ist, galt in Zweibrücken als angesehener Bürger. In der Öffentlichkeit war jedoch weitgehend unbekannt, dass er vor dem Zweiten Weltkrieg in Dortmund die treibende Kraft bei der Bücherverbrennung der Nazis war und dort als NSDAP-Funktionär sogar die Brandrede hielt (wir berichteten mehrfach). Nach den Wirren des Krieges kam er nach Zweibrücken und engagierte sich hier in etlichen Vereinen, dem Presbyterium Niederauerbach sowie in der FDP und der SPD. Stéphane Moulin, Fraktionsvorsitzender der SPD im Stadtrat, verweist darauf, dass seine Fraktion das Thema Woelbing noch nicht besprochen habe. Ihm sei über die Person bisher nichts bekannt gewesen. Auch über die Mitgliedschaft Woelbings in der SPD habe er erst aus der RHEINPFALZ erfahren. In Bezug auf unsere Recherchen findet Moulin, dass Woelbing nicht nur ein Mitläufer gewesen sei – „von denen es leider viel zu viele gab“, sondern jemand, der „ganz persönlich Schuld auf sich geladen hat und überzeugter Nationalsozialist war“. Das dürfe man auch über 80 Jahre nach der sogenannten Machtergreifung nicht relativieren. Moulin sagt: „Ich halte eine historische Aufarbeitung, ergänzend zu den vorliegenden Recherchen, für sinnvoll und geboten.“ Der Sozialdemokrat regt an, dass das Herzog-Wolfgang-Gymnasium beziehungsweise das Helmholtz-Gymnasium als Nachfolger, die Bibliotheca Bipontina und die Volkshochschule – unter Umständen gemeinsam und mit Unterstützung, des Stadtarchivs – sich der Sache annimmt. Darauf aufbauend könne eine weitere Diskussion stattfinden, wie man sich dem Thema angemessen und offen stellt. Zu den Stadtplaketten in Silber und Bronze sagt Moulin: „Natürlich hat er diese Ehrungen für Leistungen und Verdienste in Zweibrücken in der Zeit nach dem Krieg erhalten. Ich denke, dass aber bezweifelt werden muss, ob er mit dem heutigen Wissen über seine Vergangenheit überhaupt in die Position gekommen wäre, in den Zweibrücker Einrichtungen entsprechend wirken zu können.“ Christoph Gensch, CDU-Fraktionsvorsitzender, kündigt an, dass sich seine Fraktion mit dem Thema nach den Herbstferien befassen wird. Die CDU wolle sich noch einmal intensiv darüber informieren, aufgrund welcher Verdienste Woelbing die Plaketten verliehen wurden. „Basierend auf meinem momentanen Kenntnisstand halte ich persönlich eine posthume Aberkennung der Stadtplaketten nicht für angebracht“, erklärt Gensch. Norbert Pohlmann, der an der Spitze der Grünen-Fraktion im Stadtrat steht, geht davon aus, dass der Stadtrat Woelbing damals keine Ehrung hätte zuteil werden lassen, wenn er dessen vollständige Biografie gekannt hätte. Pohlmann bezweifelt aber, dass eine nachträgliche Aberkennung der Plaketten zielführend ist. Es sei jedoch Sorge dafür zu tragen, dass Woelbing künftig in der Geschichte der Stadt korrekt eingeordnet wird. Das bedeute zuerst das Ergänzen der Unterlagen über Woelbing im Stadtarchiv. Laut Pohlmann ist das bereits geschehen. Nur so werde eine umfassende Bewertung der Person und der Leistungen von Hans Woelbing möglich. Pohlmann kann sich zudem vorstellen, dass die neuen Erkenntnisse im Geschichtsunterricht des Helmholtz-Gymnasiums ein Thema sein könnten. Er kündigt zudem an, dass seine Stadtratsfraktion am 16. Oktober das Thema erörtern wird. Am Helmholtz-Gymnasium unterrichtet Ingrid Kaiser. Die Fraktionsvorsitzende der FDP ist selbst Historikerin und warnt davor „ein Fass aufzumachen“. Sie verweist darauf, dass in der NS-Zeit nahezu alle Staatsdiener Mitglied in der NSDAP waren. Woelbing sei „einer von vielen“. Das sei jedoch keine Entschuldigung für seine Taten. Die Verbrennung von Büchern verurteile sie. Allerdings müsse man Woelbings Wirken in die damalige Zeit einordnen. Dann sei es „nicht spektakulär“. Die Fraktionsvorsitzenden der Linken, der FWG und der PBZ haben auf eine Anfrage der RHEINPFALZ zum politischen Umgang des Stadtrats mit den Erkenntnissen zur Person Hans Woelbings nicht reagiert.

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