Zweibrücken „Man muss immer nur hoffen“

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Ein Abend mit „Wanja und Sonja und Mascha und Spike“ – eine Schauspielkomödie mit gehörig Tiefgang, die vom Europa-Studio Landgraf am Dienstagabend auf die Bühne der Pirmasenser Festhalle gebracht wurde. Gleichsam eine Hommage an einen der größten russischen Schriftsteller, Anton Tschechow, dessen Werke man nicht unbedingt aus dem Effeff kennen musste, um ein paar Stunden Einsamkeit und verletzte Gefühle, versetzt mit Witz und Ironie, zu kosten.

„Tschechow nach der Einnahme von Antidepressiva“ titelte einst die New York Times über das Broadwaystück aus der Feder des amerikanischen Autors Christoph Durang, der Tschechows Werke wie „Die Möwe“, „Onkel Wanja“ und „Der Kirschgarten“ – zum Teil parodisierend – in sein Bühnenwerk eingeflochten hat. Und genau das bekamen die Zuschauer in einer leider nur halbvollen Festhalle zu sehen. Anders als beim russischen Vorzeige-Melancholiker endet das Stück mit einem Happy-End: „Man muss nur immer hoffen“, heißt es im Schlusssatz. Der alternde Möchtegern-Schriftsteller Wanja (Rüdiger Joswig) und seine manisch-depressive Adoptivschwester Sonja (Alexandra Maria Timmel) haben die Eltern bis zu deren Tod gepflegt und dabei vergessen, sich ein eigenes Leben aufzubauen. Ganz anders als die Dritte im Bunde, ihre Schwester Mascha (gespielt von Claudia Wenzel), ein exzentrischer Filmstar mit einer Vorliebe für ganz junge Lover, der über Jahre die Kosten für das Haus der Familie bezahlt hat. Nach fünf gescheiterten Ehen besucht die Diva ihre Geschwister mit der Absicht, das Familienanwesen zu verkaufen, was nicht nur alles durcheinanderwirbelt, sondern auch nie verdaute Zwistigkeiten zwischen den Geschwistern, literweise Tränen, verpasste Gelegenheiten und individuelle Unzufriedenheiten zu Tage fördert, bis alles zu einem guten Ende führt. Dramaturgisch kommt das Ganze ohne großes Getöse aus, braucht kein austauschbares Bühnenbild, sondern lebt eher von raschen Kostümwechseln, witzigen Wendungen, starken Dialogen und nicht minder starken Schauspielern, die ihren Kollegen am Broadway in nichts nachstehen müssen. Die sechs Mitglieder des Tour-Ensembles, teils medienbekannte Namen, bewiesen trotz enormer Textlastigkeit der Komödie nicht nur eine professionelle Lockerheit, sondern zeigten auch eine Spielfreude, wie sie nach mehr als 30 Auftritten hintereinander ihresgleichen sucht. Sei es beispielsweise Wanja-Darsteller Rüdiger Joswig, bekannt aus der „Küstenwache“, der realistisch-pragmatisch als einziger, wenn auch etwas scharfzüngig, fast bis zum Schluss die Nerven behält, sei es Claudia Wenzel aus der ARD-Serie „Sturm der Liebe“, die als Mascha auf der Bühne den größten Persönlichkeitswandel durchläuft, indem sie ihr Alter und die familiären Gegebenheiten resigniert hinnimmt – oder sei es Alexandra Maria Timmel, die als ständig Trübsal blasendes Bündel vielfach berührt, aber auch nerven kann. Neben gut besetzten Hauptrollen wuchert der deutsche Regisseur Kay Neumann aber auch mit nicht minder stark besetzten Nebenrollen: So war Annabelle Mandeng als voodoobegeisterte Putzfrau Kassandra ganz Seherin, der keiner mehr Glauben schenkt und Patrick G. Boll, Maschas junger „Zuchthengst“ Spike, derart dümmlich-naiv, dass es fast bis an die Schmerzgrenze reichte. Juliane Köster überzeugte als kindliches Girlie Nina, das im Wettstreit mit der alternden Mascha mehr unbewusst als gewollt die Nase bei Spike vorne hat und das sowieso schon bunte Ensemble um einen weiteren Farbtupfer bereicherte. Mit „Wanja und Sonja und Mascha und Spike“ hat der 67-jährige Autor bewiesen, dass die Beschäftigung mit Tschechows Figuren und Themen nicht unbedingt schwere Kost sein muss, sondern mit der Gabe von ein wenig „Antidepressiva“ in einen kurzweiligen und witzigen Abend münden kann.

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