Zweibrücken „Der Tag, der ist so freudenreich“

Maurice A. Croissant
Maurice A. Croissant

Adventskonzerte, Weihnachtskonzerte – allerorten erklingen in diesen Tagen besinnliche Lieder, die uns auf das kommende Weihnachtsfest einstimmen wollen. Doch was steht hinter diesen Liedern, seit wann werden sie gesungen, welchen Hintergrund haben sie. Darüber sprach Christian Hanelt mit dem Pirmasenser Bezirkskantor Maurice Antoine Croissant.

Weihnachtslieder ist ein allgemeiner Begriff, der sowohl Lieder mit religiösem Hintergrund als auch säkularisierte Lieder, die sich um den Winter drehen, umfasst. Wäre da nicht Winterlieder der treffendere Begriff?

Natürlich weiß ich um diese Unterscheidung. Aber nein, ich würde nicht sagen, dass man generell zu einer allgemeineren Begrifflichkeit wechseln sollte, denn Anlass auch für Lieder, die nicht dezidiert die christliche Botschaft enthalten, ist doch oft das christliche Weihnachtsfest. Ich glaube auch, dass Lieder mit direkter oder indirekt christlicher Botschaft die Mehrheit darstellen. Und viele „andere“ Lieder in der Advents- und Weihnachtszeit sprechen ja auch unsere anrührenden Gefühle an, die im Kind in der Krippe gründen. Was unterscheidet das Adventslied vom Weihnachtslied und welche Bedeutung haben sie? Diese Unterscheidung kommt aus der Zeit, als die Adventszeit als eine Fasten- und Bußzeit, ähnlich der Passionszeit vor Ostern, im Kirchenjahr gelebt und empfunden wurde. Innerkirchlich ist sie das bis heute; unter anderem ist auch die liturgische Farbe der Paramente im Gottesdienst violett wie auch in der Passionszeit. Während also christliche Weihnachtslieder die Freude über die Ankunft des Heilands der Welt besingen, beleuchten Adventslieder die innere Vorbereitung, auch die Fehlbarkeit des Menschen in seiner oft unheilen Welt, aber natürlich auch die Vorfreude des auf Erlösung hoffenden Menschen auf das Kommen Jesu. Aber natürlich steht dieser Blickwinkel heute nicht mehr im Vordergrund, auch ich komme um „O du fröhliche“ als traditionell gemeinsam gesungener Schluss der Adventsmusik am dritten Advent in der Johanneskirche nicht herum. Wo liegt der Ursprung der Weihnachtslieder? Ihr Ursprung liegt sicherlich in den Hymnen, die im Mittelalter in den Messen und Stundengebeten gesungen wurden. Wie haben sich die Weihnachtslieder im Laufe der Jahrhunderte verändert? Da ist es wie mit allen kulturellen Prozessen, dass sich in Lieddichtung und Melodiekomposition der Lieder immer der Zeitgeist und der Zeitgeschmack widerspiegelt. Melodisch klingen natürlich kirchentonale Lieder anders als barocke, romantische oder popularmusikalische aus dem 20. und 21. Jahrhundert. Das ist mit der Sprache natürlich nicht anders. Auch das Singen in verschiedenen Sprachen (neben Deutsch und Latein auch Englisch, Französisch und andere) hat ja in der Kirche Einzug gehalten. Was ist das älteste Ihnen bekannte Weihnachtslied? Das älteste mir bekannte Weihnachtslied steht im pfälzischen Regionalteil des evangelischen Gesangbuches und gründet auf dem lateinischen Hymnus „Dies est laetitiae“. Es ist um 1320 entstanden und mit „Der Tag, der ist so freudenreich“ ins Deutsche übertragen. Wurden Weihnachtslieder früher nur in der Kirche gesungen? Ich würde sagen, sie waren in der Tat erst in den Gottesdiensten beheimatet, bis etwa zur Lutherischen Reformation, da erlebt der Gemeindegesang seinen Aufschwung und dann auch das Singen in der Familie. Welchen Einfluss hatte Martin Luther auf die Weihnachtslieder? Luther gab mit dem bis heute gesungenen Choral der Gemeinde eine verkündende Stimme in deutscher Sprache und schrieb einige Weihnachtslieder. Er bediente sich bei in liturgischem Zusammenhang vorhandenen lateinischen Texten und bekannten Melodien und übertrug sie ins Deutsche. Er hatte dabei auch keine Berührungsängste mit volkstümlichen Gesängen. So ist sei, eigentlich für seine Kinder und deren Bescherung an Heilig Abend geschriebenes Lied „Vom Himmel hoch“, das bis heute sehr populär ist, die Bearbeitung des Kranzliedes „Ich kumm aus frembden Landen her“, das von Jugendlichen in Singspielen gesungen wurde. Gibt es konfessionell gebundene Weihnachtslieder? Ich bin da sicher kein Fachmann in dieser Hinsicht. Natürlich findet man, schaut man sich die Weihnachtsliederliste im katholischen Gotteslob und im evangelischen Gesangbuch an, Unterschiede. Es gibt aber auch viele Lieder, die in beiden Gesangbüchern zu finden sind. Dann gibt es Lieder, die die gleichen Melodien verwenden, aber unterschiedliche Textfassungen haben. Ich glaube, im ökumenischen Miteinander gibt es kein grundsätzlich trennendes Liedgut. Täuscht mein Eindruck, oder sind deutsche Weihnachtslieder meist schwerer, getragener als Weihnachtslieder im englischen Sprachraum? Nach meinem Eindruck gibt es Schwungvolles und Getragenes in beiden Sprachräumen, wenn ich an die fröhlich beschwingten deutschen Lieder „ In dulci jubilo“, „Der Heiland ist geboren“, „Kommet, ihr Hirten“ und „Hört der Engel helle Lieder“ denke oder auch an die ruhigeren englischen Lieder „The First Noël“, „God Rest You Merry Gentlemen“, „Coventry Carol“ und „It Came upon a Midnight Clear“. Rolf Zuckowski und andere haben moderne Weihnachtslieder geschrieben. Gibt es Lieder und Komponisten, die Sie besonders schätzen? Besondere Komponisten und Liederdichter habe ich da nicht im Kopf. Zwei Lieder, die es in den ersten (2005) und zweiten Band (2018) der Veröffentlichung „Wo wir dich loben, wachsen neue Lieder“ geschafft haben, habe ich im Dezember in Gottesdienste und Adventsmusik gern in das Programm aufgenommen. Dieser zweite Band dieses Liederbuches wurde zum ersten Advent 2018 in den Landeskirchen Baden, Pfalz, Württemberg und Elsass/Lothringen eingeführt. Die beiden Lieder „Stern-Kind, Erd-Kind“ und „Friedenskind“ (englisch: „Peace Child“) besingen in unterschiedlichen Aspekten das Kind in der Krippe. Was ist für Sie die größte musikalische Sünde in Sachen Weihnachtslied? Wer mich kennt, weiß, dass ich auch musikalisch ein offenes Herz habe. Natürlich gefällt das eine mehr als das andere, und manche Weihnachtslieder muss ich nicht singen. Ich möchte mich aber zurückhalten, denn nur weil ich vielleicht etwas musikalisch nicht mag, heißt das ja nicht, dass nicht anderen dabei das Herz aufgeht. Wird bei Ihnen in der Familie an Weihnachten gesungen? In den vergangenen Jahren bin ich an Heilig Abend zusammen mit meiner Frau und meiner Mutter immer zwischen den Gottesdiensten bei meinen Schwiegereltern. Nach dem Essen singen wir vor der Bescherung in großer Runde von vier Generationen Weihnachtslieder, die ich dann am Klavier anstimmen darf. Was ist ihr liebstes Weihnachtslied? Sich da festzulegen fällt schwer, aber weihnachtliche Erinnerungen und Gefühle vor allem auch aus der Kindheit kommen bei „Fröhlich soll mein Herze springen“ und „Es ist ein Ros` entsprungen“ auf. Ganz besonders im Zusammenhang mit den Satzvertonungen von Johann Crüger und Michael Praetorius, die ich schon früh mehrstimmig singend kennenlernte beziehungsweise bei denen ich mit der Blockflöte mitspielte.

„Stille Nacht, heilige Nacht“ gehört zu den beliebtesten Weihnachtsliedern.
»Stille Nacht, heilige Nacht« gehört zu den beliebtesten Weihnachtsliedern.
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