Zweibrücken Dem Kontrolleur per App sagen, wo man ist

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Zweibrücken.

Christin Hussong kann sich genau an ihre erste Dopingkontrolle erinnern. „Das war damals bei den deutschen Winterwurfmeisterschaften in Halle. Das war schon komisch, man ist aufgeregt und will nichts falsch machen“, sagt die 21-jährige Speerwerferin. Gottseidank sei es eine nette Kontrolleurin gewesen, die habe sich viel Zeit genommen und den Ablauf genau erklärt. „Aber daran, dass eine Frau beim Pipi machen direkt neben einem steht, muss man sich erst mal gewöhnen“, meint die Herschbergerin schmunzelnd. Die erste Dopingkontrolle von Raphael Holzdeppe muss etwa zehn Jahre her sein, an Zeit und Ort kann sich der 25-Jährige, der in Saarbrücken lebt und beim LAZ Zweibrücken trainiert, aber nicht mehr erinnern. Ungefähr seit 2008 gehört der Stabhochsprung-Weltmeister der obersten Stufe der Testpools der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada, siehe Stichwort) an: dem Registered Testing Pool (RTP). Darin sind in der Hauptsache A-Kader-Athleten. Hussong gehört zur nächsten Stufe, dem Nationalen Testpool (NTP). Darunter gibt es noch den Allgemeinen Testpool (ATP). Wer zu welchem Testpool gehört, hängt von der Sportart und der Kaderzugehörigkeit ab. „Das kann sich ändern“, sagt Hussong, „wenn im Oktober der Brief mit der Kaderzugehörigkeit kommt, in dem auch alle Rechte und Pflichten aufgelistet sind“. Ohne Unterschrift dürfen die deutschen Sportler nicht an Wettkämpfen teilnehmen. Für Profi Holzdeppe sieht sein Testpool andere Anforderungen vor als der für Hussong. Er muss für jedes Quartal im voraus Angaben über seinen Aufenthaltsort und und Erreichbarkeit machen. Dabei muss er für jeden Tag zwischen 6 und 23 Uhr eine Stunde angeben, in der er für eine Dopingkontrolle zur Verfügung steht. Besagte Stunde kann im digitalen „Adams“-System aber jederzeit geändert werden. Dazu hat jeder Sportler mit einem eigenen Passwort Zugang auf die Internetseite, die auch über eine App erreichbar ist. Im Notfall kann man auch mal eine SMS an die Nada schreiben. „Hab’ ich schon mal gemacht, das hat auch geklappt“, sagt Holzdeppe. Häufig gibt der Stabhochspringer die frühen Morgenstunden an, manchmal aber auch Trainingszeiten. Hussong, Studentin der Sportwissenschaft in Saarbrücken, muss dagegen im NTP-Pool zwar ihren Aufenthaltsort eintragen, aber eben keine Stunde täglich freihalten. „Bei mir waren die Kontrolleure mal zu Hause, ich hab’ aber an der Uni eine Prüfung geschrieben, und das Handy war natürlich aus.“ Die Kontrolleure hätten dann gewartet und sie nach der Prüfung erreicht. „Ab dem Moment habe ich dann noch eine Stunde Zeit bis zur Kontrolle“, erklärt die 21-Jährige. Sonst sei es ein verpasster Test, ein „Missed Test“. „Beim zweiten ,Missed Test’ wird es kritisch, beim dritten wird man gesperrt“, sagt Holzdeppe. Ein Missed Test verfällt aber nach einem Jahr auch wieder. Kuriose Dinge oder Probleme hatten die beiden bei ihren Dopingkontrollen bisher noch nicht. Nicht wie unlängst Hussongs Disziplinkollegin Linda Stahl, die sich Ende März auf ihrer Facebook-Seite beschwert hatte. Sie war in sechs Tagen gleich dreimal kontrolliert worden – von der EEA (der europäische Verband), der Nada und schließlich der Wada. Letzteres morgens um 6 Uhr, drei Stunden bevor sie als Ärztin zum 24-Stunden-Dienst musste. Drei schnelle Tests an ein paar aufeinanderfolgenden Tagen hat aber auch Holzdeppe schon erlebt: „Zweimal Nada, einmal Wada“, weiß er noch. Speerwerferin Hussong hält indes den Zeitrahmen am Tag für völlig ausreichend; mit aktuellen Diskussionen darüber, dass die Sportler auch zwischen 23 Uhr und 6 Uhr morgens erreichbar sein sollen, kann sie deshalb gar nichts anfangen. Dass die beiden eigene Daten im Internet hinterlegen müssen, ist kein Problem für sie. „Mir macht das nichts aus“, sagt Holzdeppe. „Mittlerweile ist das normal, ohne geht es für uns ja gar nicht“, unterstreicht Hussong. Und auf die „Adams“-Seite könne ja auch nicht jeder zugreifen. In sozialen Netzwerken im Internet sind beide Sportler nicht sonderlich aktiv. „Twitter hab’ ich nicht. Da gibt es bestimmt viele, die im Netz viel aktiver sind als ich“, sagt Christin. „Und ich füttere zwar meine Fanpage bei Facebook, bin da aber sonst kaum unterwegs“, meint Holzdeppe. Dennoch: Ganz gläsern möchte er nicht sein. Eine mögliche Weiterentwicklung von „Adams“ ist „Eves“, ein Ortungssystem für Sportler. „Vielleicht per Uhr mit GPS-Chip“, mutmaßt Holzdeppe. „Das wäre mir nicht recht. Mir geht es darum, dass nicht jeder weiß, was ich jede Sekunde vom Tag mache oder dass einer da steht, wenn ich aus dem Kino komme. Das System ist gut so, wie es jetzt ist.“

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