Speyer „Wettbewerb wird ruinös“
. Alle Infoveranstaltungen, Demonstrationen und Briefe, die Gaia an Politiker geschrieben hat, haben nichts genützt: Während der Fußball-Weltmeisterschaft hat der Bundestag grünes Licht für eine Änderung des EEG gegeben. Das schon mehrfach geänderte Gesetz aus dem Jahr 2000 sollte anfänglich dazu dienen, den Technologien für die Nutzung von Wind- und Sonnenenergie durch Förderanreize zum Eintritt auf den Strommarkt zu verhelfen. Jetzt, da diese Energien in Deutschland bei 25 Prozent liegen, sei ein Systemwechsel nötig, meint die schwarz-rote Koalition. Mit der jüngsten Änderung sollen Überförderungen abgebaut, Boni gestrichen und die Vergütungen für die Einspeisung von Ökostrom weiter gesenkt werden. Damit haben Gaia-Geschäftsführer Torsten Szielasko und sein Windkraft-Projektleiter Ray Zawalski auch gar kein Problem. Was sie ärgert und zutiefst beunruhigt, sind ganz andere Hebel im Gesetz. Allen voran die Ausschreibungs- und die Direktvermarktungspflicht. „Ab 2017 soll die Förderhöhe für Windenergie über Ausschreibungen ermittelt werden“, erläutert Ray Zawalski (34). „Wer den günstigsten Preis für eine Kilowattstunde bietet, bekommt den Zuschlag für ein Windrad.“ Da könne man sich jetzt schon ausrechnen, dass Anlagenhersteller aus beispielsweise China, die auf Kosten der Qualität billiger seien, deutsche Firmen wie Enercon verdrängten. Erfahrungen in anderen europäischen Ländern hätten gezeigt, dass das Ausschreibungssystem den Ausbau der erneuerbaren Energien hemme statt fördere. Darüber hat im Mai auch das ZDF-Magazin „Frontal 21“ berichtet. Die künftige Pflicht, EE-Strom aus neuen Anlagen direkt vermarkten zu müssen – bisher konnte man ihn an den Netzbetreiber vor Ort gegen eine festgesetzte Vergütung verkaufen – „birgt für Investoren und Banken, die neue Anlagen finanzieren, schwer kalkulierbare Risiken“, sagt Torsten Szielasko. Und dann noch der „atmende Deckel“: Nimmt der Bau von Anlagen zu, sinkt laut Gesetz die Stromvergütung. Das werde alle paar Monate neu berechnet, „wie soll man da vernünftig kalkulieren“? Das Fazit des 46-jährigen Firmengründers und seiner Mitarbeiter: All das und andere Neuerungen im EEG werden einen ruinösen Branchenwettbewerb auslösen und die vier großen Energiekonzerne sowie konventionelle Kraftwerksbetreiber begünstigen. „Kommunale Versorger, bürgerschaftliche Energiegenossenschaften und kleine Planungsfirmen haben in diesem System keine Chance mehr“, ist Torsten Szielasko überzeugt. Und mittelständische Firmen oder Privatleute seien ja jetzt schon total verunsichert wegen der neuen Eigenstromabgabe. „Dass diese nicht für kleine Fotovoltaikanlagen gilt, muss sich erst noch rumsprechen.“ Gaia selbst ist als Projektierer vor allem vom Ausschreibungszwang betroffen. „Die Planungszeiten für Windkraftprojekte betragen bis zu acht Jahre“, sagt Szielasko. „Und erst ganz am Ende erfährt man von der Bundesnetzagentur, ob man den Zuschlag bekommt.“ Ein solches Risiko könnten sich künftig nur noch große Konzerne leisten. Mit einem davon, EnBW, arbeitet Gaia zusammen. „Aber wir möchten nicht nur Dienstleister für einen Großen sein, sondern auch Projekte in Eigenregie und für kleinere Partner realisieren“, verdeutlicht Szielasko. Für seine Firma, die vor zwei Jahren zwei Millionen Euro in die Sanierung ihres Firmensitzes in der Jahnstraße investiert hat („Wir haben gezeigt, wie man aus einem Altbau ein Gebäude machen kann, das mehr Energie erzeugt als verbraucht“), bedeutet die jüngste Weichenstellung aus Berlin, sich neu zu orientieren. In der Solarsparte von Gaia habe es schon einen drastischen Auftragsrückgang gegeben. Szielasko: „Wir werden uns wohl künftig mehr mit Stromspeichersystemen und Elektromobilität befassen sowie mit der Wartung und Reparatur von Anlagen, deren Hersteller oder Vertreiber nicht mehr existieren.“ Das Domizil von Gaia soll unterm Dach ausgebaut werden, und es soll eine Aufstockung des Personals geben. Die Ingenieursgesellschaft hat 30 Mitarbeiter, von denen ein Drittel in Lambsheim wohnt, und einen Jahresumsatz von rund vier Millionen Euro. Jenseits eigener Befindlichkeiten betreibt sie seit Längerem Lobbyarbeit für die erneuerbaren Energien, auch wenn die Branche „nicht mit einheitlicher Stimme spricht“, wie Ray Zawalski sagt, und die Großkonzerne viel mehr Einfluss auf die Politik hätten. Vor allem sucht Gaia gemeinsam mit Verbänden und Wirtschaftsinstituten nach Wahrheiten hinter dem Mythos, dass Wind- und Sonnenkraft nicht effizient und zu teuer sei. Die Korrespondenz mit Bundes- und Landespolitikern füllt ganze Ordner, demnächst kommen wieder zwei Abgeordnete zu Besuch. Die Resonanz auf seine Briefe sei gut gewesen, berichtet Szielasko, besonders aus den Bundesländern. Gaia hat sich finanziell an einem Rechtsgutachten zur EEG-Novelle beteiligt und nimmt Ende September an einer Aktionswoche der Energieagentur Rheinland-Pfalz teil. „Wir sind ein politisches Unternehmen“, sagt Torsten Szielasko, der sich mit Firmenmitbegründer Michael Wahl die Geschäftsführung teilt. „Es ist schade, wie schnell Fukushima schon wieder in Vergessenheit geraten ist.“