Speyer Theatergruppe Prisma spielt „Gretchen 89ff“

Bei der Probe: das Theater Prisma im Alten Stadtsaal.
Bei der Probe: das Theater Prisma im Alten Stadtsaal.

„Faust 1“ haben Schüler-Generationen im gelben Reclam-Heftchen gelesen. Die Theatergruppe Prisma blättert zur Seite 89ff und spielt das Stück „Gretchen 89ff“.

Garderobenständer, Sofa, Regiestuhl und -tisch: Mehr Bühnenbild braucht das diesjährige Stück nicht, dass Prisma unter der Regie von Andreas Krüger probt. Geschrieben hat es der Dramatiker Lutz Hübner, bekannt für „Herz eines Boxers“ oder „Frau Müller muss weg“. Sein Schritt auf die Bretter, die die Welt bedeuten, ist so lustig wie wahrhaftig.

Probe für die Darsteller, Probe auf der Bühne. Regisseure aller Arten sitzen über die Szene Gericht, die in die Literaturgeschichte eingegangen ist. Jedes Gretchen trägt dasselbe Kleid, erscheint indes im eigenen Charakter. Das eine ist voller Esprit, das nächste voller Unsicherheit, das dritte strotzt nur so vor Selbstbewusstsein.

Der Streicher und der Freudianer

Verteilt in den Zuschauerrängen stehen Rucksäcke voller Kostüme und Accessoires bereit zum Kleidungswechsel. Die fünfte Szene steht an. Sebastian Ofer gibt den „Streicher“, den, der am liebsten die gesamte Szene auf einen Hauptsatz reduzieren würde, sehr zum Verdruss von Nadja Bartek, einem der schlichteren Gretchen. Schnell wechselt das Stück zum „Freudianer“. Nach Meinung von Rolf Schüler-Brandenburger war Goethe „versaut bis auf die Knochen“, weshalb er Claudia Unolds Gretchen-Rolle „rein sexuell“ anlegen will.

Anina Mück findet Regisseure in der Provinz am schlimmsten, Susanne Loreit die, die keine Ahnung haben. Ihr Regisseur Stefan Schmitt will die Kästchen-Szene als Schattenspiel inszenieren. Das allgemeine Gretchen-Kostüm lehnt die Diva ab. Schließlich will sie nicht aussehen wie eine pfälzische Weinkönigin.

Liebeserklärung ans Theater

Für die Dramaturgin (Claudia Unold) ist das Gretchen lediglich ein Vehikel, Spielmaterial, das am besten ein Mann spielen soll.

„Fünf Minuten Pause, danach Kritik“. Krüger gönnt dem Ensemble ein heißes Getränk, ein paar Kräuterbonbons oder Medikamente, denn viele Darsteller sind stark erkältet. „Bis Donnerstag sind wir gesund“, ist Christoph Anschütz sicher. Ein Satz aus berufenem Mund, immerhin ist er Sohn eines Arztes.

„Gretchen89ff“ ist eine Liebeserklärung ans Theater, wie sie vergnüglicher nicht sein könnte. Die Zuschauer begegnen Regisseuren und Schauspielern aller couleurs, kommen ihnen nahe, um ein paar Minuten später bereits der nächsten Gretchen-Verzweiflung gerecht werden zu wollen. Alles Live und in Farbe. Ihre Texte beherrschen die Darsteller sicher, Kostümwechsel sind geübt, Posen verinnerlicht.

Ein Regisseur, eine Schauspielerin, eine weltberühmte Szene der Theaterliteratur genügen der Theatergruppe, die Probe aufs Exempel zu statuieren.

Der klassische Literatur-Liebhaber sei indes gewarnt: Was er von Prisma in „Gretchen 89ff“ nicht zu sehen bekommt, ist Goethes „Faust“.

Info

Premiere am Donnerstag, 2. November um 20 Uhr im Alten Stadtsaal, Rathaushof, Speyer. Vorstellungen am 3.,5., 7., 8., 10. bis 12. November immer um 20 Uhr. Karten gibt es im Spei’rer Buchladen, Korngasse 17, Telefon 06232 72018. www.prisma-theater.de

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