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WALDSEE. Seit Anfang Juli sind Ausschuss-Sitzungen der Gemeinden grundsätzlich öffentlich und auch viele Tagesordnungspunkte von Ratssitzungen, die bisher im nicht-öffentlichen Teil angesiedelt waren, werden nun im öffentlichen Teil behandelt. Das hat die vormalige rot-grüne Landesregierung im „Landesgesetz zur Verbesserung direktdemokratischer Beteiligungsmöglichkeiten auf kommunaler Ebene“ geregelt. Was bedeutet das Gesetz in der Praxis?

Nicht nur Gemeinderatssitzungen, auch Ausschusssitzung müssen rechtzeitig im Amtsblatt mit allen Tagesordnungspunkten angekündigt werden. Bisher galt das nur für Ausschusssitzungen, auf denen Beschlüsse gefasst werden. Nun müssen auch vorberatende Sitzungen öffentlich stattfinden. In der Verbandsgemeinde Rheinauen mit den vier Ortsgemeinden Waldsee, Otterstadt, Neuhofen und Altrip sind das rund 100 Sitzungen im Jahr. Dadurch soll einerseits das Interesse der Bürger an der Lokalpolitik geweckt werden, andererseits mehr Transparenz geschaffen werden. „Die Hürden für eine nicht-öffentliche Sitzung sollen höher gemacht werden“, erklärt Detlef Schneider, Büroleiter der Verbandsgemeindeverwaltung Rheinauen. Die Ausnahmen sind gesetzlich geregelt. Wenn es um Personalangelegenheiten einzelnen Mitarbeiter, Stundungen, Geschäftsgeheimnisse oder das Gemeinwohl geht, müsse nicht-öffentlich getagt werden. Manchmal müssten die Sitzungen zu einem Thema in einen öffentlichen und einen nicht-öffentlichen Teil „gesplittet“ werden. Schneider nennt ein Beispiel: Die Gemeinde möchte Regeln für Grundstücke, die sie nach sozialen Kriterien verkaufen will, festlegen. Das muss sie öffentlich machen. Aber wer das Grundstück dann bekommen soll, muss nicht-öffentlich beschlossen werden. Für den Bürgermeister bedeutet das nun, dass er jeden Tagesordnungspunkt genau abwägen muss und entscheiden, ob öffentlich oder nicht-öffentlich getagt wird. Sollte ein Beschluss fälschlicherweise im nicht-öffentlichen Teil einer Sitzung gefasst werden, so ist dieser ungültig. „Wir müssen da ein Gefühl dafür bekommen“, sagt Schneider. Durch dieses Gesetz werde nun dem Anschein vorgebeugt, dass hinter verschlossenen Türen verhandelt werde. Büroleiter Schneider und Rheinauens Bürgermeister Otto Reiland (CDU) sehen aber auch einige Nachteile in der Regelung. Zum einen würde einiges verlangsamt aufgrund der Einladungsfrist. Wenn ein Bauantrag beispielsweise erst kurz vor einer Sitzung eingereicht werde, dann könne er nicht mehr diskutiert werden und bleibe bis zur nächsten Sitzung liegen. Reiland gibt zu bedenken: „Es wird anders geredet, wenn Zuhörer oder gar die Presse anwesend ist. Wenn in einem Ausschuss nicht mehr Tacheles geredet werden darf, dann wird das an einer anderen Stelle passieren.“ Noch eine zweite große Änderung gibt es, die die Verwaltung und die Gemeinderäte wohl nach der Sommerpause betreffen: Der Entwurf der Haushaltssatzung, die auch den Haushaltsplan beinhaltet, muss zwei Wochen lang öffentlich ausgelegt werden. Wenn der Entwurf vom Kämmerer fertiggestellt ist und den Ratsmitgliedern zugestellt wird, muss er bis zur Beschlussfassung durch den Rat öffentlich einsehbar sein. In diesem Zeitraum wird dann eine zweiwöchige Frist festgelegt, in der die Bürger Vorschläge zu dem Haushaltsentwurf machen dürfen. Bevor der Gemeinderat den Haushalt beschließt, muss er diese Vorschläge in öffentlicher Sitzung abwägen. Die Namen der Bürger, die die Vorschläge eingereicht haben, dürfen dabei aber nicht genannt werden. Im Rathaus in Waldsee wartet man derzeit noch auf Handlungsanweisungen vom Gesetzgeber. „Es muss Grenzen geben, denn theoretisch müsste der Rat jetzt über alles diskutieren“, sagt Büroleiter Schneider. Er befürchtet auch einen erheblichen Mehraufwand für den Kämmerer: „Jede kleine Änderung zieht sich durch den ganzen Haushalt.“ In diesem Falle gehe mehr Transparenz auf Kosten der Effizienz der Verwaltung, so Schneider. Otto Reiland drückt es diplomatisch aus: „Es kostet die Verwaltung mehr Zeit und Geld, aber das ist uns die Demokratie wert.“ Nils fragt Die Rubrik Unter dem Titel „Dienstagsfrage“ beantworten wir einmal die Woche Fragen, die im Alltag im Speyerer Umland auftauchen.

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