Speyer Angeklagter sieht sich selbst als Opfer

Ein Fall von sexueller Nötigung und Körperverletzung soll sich laut Anklage im November 2018 in der Speyerer Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende (AfA) zugetragen haben. Seit gestern läuft deswegen ein Gerichtsprozess.

Das Verfahren am Schöffengericht im Amtsgericht Speyer ist von vornherein auf zwei Termine angesetzt. Der nächste ist für Montag, 27. Mai, vorgesehen. Angeklagt ist ein 26-Jähriger, der aus der Haft vorgeführt wurde. Im November 2018 soll er, betrunken und vielleicht auch unter Drogeneinfluss stehend, in der Asylbewerberunterkunft in der ehemaligen Kaserne nachts einen anderen Bewohner aus dem Schlaf geklopft und bedrängt haben, mit ihm Geschlechtsverkehr zu haben. Nach einigem Gerangel, bei dem er leicht verletzt wurde, gelang es laut Anklage dem Geschädigten, zu entkommen und nach Hilfe zu rufen. Es sind zwei vollkommen verschiedene Geschichten, die der Angeklagte, der von Roman Schweitzer aus Mannheim verteidigt wird, und der Angegriffene erzählten. Der Angeklagte wuchs in Somalia auf als uneheliches Kind, wie er sagte. Seine Mutter lud ihn demnach mit 14 Jahren bei seinem Onkel ab und verschwand. Beim Onkel bekam er Unterkunft und Verpflegung gegen Arbeit. Eine Schule hat er nie besucht. Soweit man schlau wurde aus dem, was er sagte und der Dolmetscher übersetzte, geriet er in ein Rekrutierungslager der Miliz, und dort gelang ihm 2015 die Flucht, Ziel Europa. Nach einigen Irrfahrten kam er Anfang Oktober 2018 nach Speyer. Er trinke, soweit das Geld reicht, „immer, wenn ich an mein früheres Leben denke“, sagte der Mann. Am Abend des 24. November vorigen Jahres nach der Arbeit habe er sich im Netto eine Flasche Whisky gekauft und sie bis nachts ausgetrunken. Dann habe er einen Bekannten in der Unterkunft besuchen wollen und an dessen Tür gehämmert. Auf einmal sei da der Geschädigte gestanden und habe ihn auf sein Zimmer genommen, wo er sich in eindeutiger Absicht genähert habe. Auf die Frage des Staatsanwalts, ob er homosexuell sei, sagte er: „Ich bin doch ein Mann!“ Als der andere ihn weiter bedrängt habe, habe er ihn gebissen und sei dann geflüchtet. Der Geschädigte erzählte die Geschichte umgekehrt. Nachts sei er von dem Hämmern an der Tür wach geworden und habe, schlaftrunken, aufgemacht. Der andere habe gesagt: „Du bist der Schönste hier, und ich werde jetzt mit dir Sex haben.“ Es sei ihm gelungen, ihn abzuwehren, da der andere nicht ganz sicher auf den Beinen gewesen sei. Mehrfach musste er vor Gericht den Ablauf, der etwas von dem polizeilich Dokumentierten abwich, im Detail schildern, was ihn an den Rand der Tränen brachte. Aber er wollte keine Pause: „Ich muss das jetzt durchhalten.“ Für den kommenden Termin sind weitere Zeugen geladen.

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