Speyer Blickpunkt: Impressionen von der Speyerer Kult(o)urnacht: Hering singt ein A

Atmosphärisch: die Speyerer Prachtstraße in der Kult(o)urnacht.
Atmosphärisch: die Speyerer Prachtstraße in der Kult(o)urnacht.

In der Tourist-Info gehen die blauen Bändchen für jeweils 8 Euro und das Programm der Nacht im Akkord über die Ladentheke. Schräg gegenüber weisen langstielige rote Rosen den Weg zur Galerie Kulturraum im Obergeschoss des „blauen Hauses“ auf der Maximilianstraße. Verkehrschaos droht. Fußgänger, Taxis und Fahrräder verstopfen die Speyerer Prachtstraße im Bereich Rathausbühne, auf der das „Bühne frei“-Ensemble mit dem zweiten Teil seiner Disney-Magic-Musical-Moments beginnt. Ein paar Gassen weiter tritt das Duo Radikal XL zu dritt auf die Bühne der Heiliggeistkirche. Karaoke mit Michael Beutelspacher (Gitarre), Matthias TC Debus (Kontrabass) und Hering Cerin (Schlagzeug) ist angesagt. „Die Alex singt schon wieder“, ruft einer die, die draußen stehen, herein. Drei Mädchen tanzen vor der Kirchentür. Dahinter singt Hering ein A. Alle summen ihm hinterher. Lilly und Sarah wünschen sich ein Chart-Lied von Wincent Weiss. Wer ist das? Das Duo Radikal ist ratlos. Die Männer suchen im Mobiltelefon nach Melodie und Text des angesagten Popsängers, Hering malträtiert mit den Schlagstöcken sein ziemlich ramponiertes Becken. „Ihr müsst das locker spielen“, weist er – bar jeder Ahnung – seine Bandkollegen an. Die Mädchen singen alle Strophen tapfer durch. Der Beifall gibt ihnen Recht. Als nächstes singt „die“ Alex nochmal. „Hotel California“ von den Eagles. Da ist das Duo Radikal in seinem Element. Beutelspacher spielt das legendäre Gitarrensolo gigantisch. Danach singt Andrea mit jeder Menge Groove in der Stimme „Go Charlie Go“. Das Publikum rastet aus. Endlich traut sich ein Mann auf die Bühne. „Mein Ding“ will er singen. Von Udo Lindenberg. Das Duo Radikal findet schnell zum richtigen Sound, der Sänger erweist sich als rechter Udo-Imitator: kaum zu verstehen, aber dennoch vehement musikalisch. Wenige Meter entfernt spritzt und wirft die Schweizer Speedpainting-Künstlerin Corinne Sutter in der Sparkasse Farbe auf den gezeichneten Speyerer Pilger. „Meine Kunst ist zu 50 Prozent Sport“, sagt sie noch leicht atemlos. Gegen ihre rasante Maltechnik war der Rock-Auftritt der Gitarrenhelden zuvor ein musikalischer Spaziergang. Sutter präsentiert zwei „Motiv-Halbbilder“, die sie am früheren Abend gemeinsam mit zwei Gruppen Speyerern erarbeitet hat. Besonders der Dom gefällt der Künstlerin ausnehmend gut. „Ich könnte mir vorstellen, eine kleinere Variante von ihm in meinem Schweizer Dorf aufzubauen“, sagt sie. Die Berliner „Botschaft Transit“ hat den Wohnwagen zur Kult(o)urnacht auf dem St.-Guido-Stifts-Platz aufgemacht. „Das Konzert ist auf 22.30 Uhr verschoben“, teilt der Botschafter den vereinzelt Wartenden mit. Geduldig genießen sie Paul Young vom Band und ein kaltes Getränk. Schnakenspray wird kostenlos angeboten. Tommi Alfter legt letzte Hand an die Einrichtung der von ihm gebauten geodätischen Kuppel, unter der das Konzert des Instrumentenerfinders Andreas O. Hirsch mit seinen selbst konstruierten Carbophonen unmittelbar bevorsteht. Der eingängige Rhythmus erfasst die Zuhörer, die aus Speyer und Köln kommen. Musikalische Poesie erklingt eine gute Stunde vor Mitternacht vom Hof der Volksbank Kur- und Rheinpfalz in der Bahnhofstraße durch die Nacht. Das Duo Tom Keller & Maria Blatz sorgt mit viel Gefühl für die Stimmung, die die Besucher der Ausstellung „Rising Stars“ begleitet. Vor ein paar Stunden hat Künstler und Kurator Ralph Gelbert sie eröffnet. Der Münchner Künstler Ransome Stanley ist mit zwei eindrucksvollen Origami-Großformaten und „Welcome Mr. Monk“ dabei. Mit bizarren wilden Kerlen, einem hölzernen „Buddie“, teuflischen Gestalten oder einem ziemlich harmlosen Säbelzahntiger überrascht Jan Thomas aus Halle den nächtlichen Betrachter. Beeindruckend sind sich überlagernde Frauenbildnisse mit Titeln wie „Erato“, die Dragana Jurisic aus Dublin präsentiert. In welchem Licht sich Rubens Studio um vier Uhr nachmittags zeigt, hat Maurice Quillinan in Limerick auf die Leinwand gebannt. Gelbert hat seinem Diptychon „Supernova“ eindrucksvolle Farbigkeit verliehen. Draußen singt Tom Keller zur Gitarre „I Wait For You“. Und einige Häuser weiter nimmt Josef Nisters in seiner Galerie mit dem Künstler Karlheinz Zwick einen Mitternachtstrunk. Die Tür seiner Galerie ist noch eine Stunde geöffnet.

Spaß mit Michael Beutelspacher (Gitarre), Matthias Debus (Kontrabass) und Hering Cerin (Schlagzeug): Lilly und Sarah singen eine
Spaß mit Michael Beutelspacher (Gitarre), Matthias Debus (Kontrabass) und Hering Cerin (Schlagzeug): Lilly und Sarah singen einen den Musikern bis dato unbekannten Song aus den Charts.
Vor der Alten Münze: Das „Bühne frei“-Ensemble unterhält das Publikum mit Disney-Magic-Musical-Moments.
Vor der Alten Münze: Das »Bühne frei«-Ensemble unterhält das Publikum mit Disney-Magic-Musical-Moments.
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