Rhein-Pfalz Kreis Von Blattblasen und anderen Pickeln

Ludwigshafen. Beulen, Blasen, seltsame Knoten. Da kriegt Blatt doch glatt Pickel. Aber warum? Ist der Ahorn in der Pubertät? Die Buche krank? Die Eiche mutiert? Förster Volker Westermann vom Forstamt Pfälzer Rheinauen macht heute Knubbelkunde und erklärt uns, was es mit Gallen auf sich und vor allem in sich hat. Er ist sich sicher, dass wir alle schon solche Verformungen an Pflanzen gesehen haben.

Wer sich mit Gallen beschäftigt, landet in einer faszinierenden Zwischenzone, in der Botanik und Zoologie miteinander verschmelzen. Denn die Knubbel und Blasen bilden Pflanzen zwar selbst aus. Allerdings nicht ganz freiwillig. Bestimmte Milben-, Fliegen- und Wespenarten bringen Bäume, Sträucher, Kräuter und Blumen dazu, die Struktur ihrer Blätter, aber auch die von Rinden, Zweigen und Blüten zu verändern – sich Gallen wachsen zu lassen. Solche Wucherungen bei einem Waldspaziergang zu entdecken, ist gar nicht so schwer. Kaum sind wir mit Volker Westermann ein paar Schritte gelaufen, stoppt der Förster schon. Er zieht einen Ast ein Stückchen näher heran und sagt: „Schauen Sie, da haben wir ein tolles Beispiel für Pflanzengallen.“ Tatsächlich – schon mal gesehen. Aber wir haben uns noch nie Gedanken darüber gemacht, wie die Knubbel aufs Blatt kommen oder warum einem Baum Pickel sprießen. „Das stellen Insekten ganz geschickt an“, sagt Westermann. „Sie geben ein Sekret auf das Blatt ab, einen Wuchsstoff – und quasi gegen seinen Willen bildet der Baum eigenartige Wölbungen. Schutzblasen für Larven.“ Manche Gallenbildner fügen der Pflanze auch kleine Verletzungen an sich teilenden Zellen zu, um eine geschützte Brutstätte für ihren Nachwuchs erschaffen zu lassen. „Das ist schon sehr effizient – die Larven werden nicht entdeckt und haben im Inneren gleich etwas zu fressen.“ Für Tierchen, die etwas länger brauchen, bis sie groß und fertig entwickelt sind, ist das Blatt zugleich auch noch Wärmedecke. Im Herbst segelt es zu Boden, wird womöglich noch von weiteren Blättern bedeckt. „Dann kommen Mücken- und Milbenkinder mollig-warm durch den Winter“, sagt der Förster und lacht. Als Beispiel nennt er die Buchengallmücke. Sie braucht ein ganzes Jahr, bis sie aus ihrer „Gallenblase“ schlüpft und lebt damit länger in der Larvenzelle als draußen. Ihre Galle ist zitronenförmig auf Buchenblättern zu finden und verfärbt sich passend mit dem Laub von grün über gelb nach rot. „Interessant, oder?!“ Wir streifen weiter durch den Wald, der schon spätsommerliche Nuancen hat. Riecht es nicht bereits nach Pilzen? Ein paar Minuten später deutet der Forstexperte erneut auf ein Blatt. Das sieht krass pickelig aus. Tut das weh? Volker Westermann lacht wieder und beruhigt: „Die Blätterblasen sind zwar Anomalien im Pflanzenwachstum, aber der Baum hier wird sie gut wegstecken. Es ist noch genügend Material vorhanden, so dass eine Photosynthese stattfinden kann.“ Generell ließen sich Pflanzen von ein paar Gallen nicht unterkriegen. Gerade Bäume seien Überlebenskünstler. „Wer solche Gebilde entdeckt, darf sie also getrost fasziniert betrachten, ohne den Baum bedauern zu müssen. Und das ist ja, was ich will: Menschen auf tolle Naturphänomene aufmerksam machen und auf die Suche danach schicken.“ Wer professioneller Gallenjäger ist, wird noch mehr vom Blatt ablesen können. Etwa wer da eine Schutzblase für seinen Nachwuchs angelegt hat. Das liegt zum einen daran, dass jeder Gallenbildner so seine Lieblingspflanze hat. Zum anderen lässt sich anhand von Form und Farbe der Verursacher bestimmen. Die Mehrzahl aller Gallenwespenarten beispielsweise entwickelt sich an Eichen. Und jede Art wiederum lässt den Baum ein anderes Larvenzuhause bilden – mal sind sie eiförmig, mal kugelig. Mal fallen sie durch rote Adern auf, mal durch knorpelige Anschwellungen in Erbsengröße. „Und nicht selten findet man Gallen verschiedener Insekten auf einem Blatt. Es ist schon spannend, was man alles erkennen kann, wenn man sich erst mal mit dem Thema beschäftigt“, sagt Volker Westermann. Ihn fasziniert, dass gut vor Feinden versteckt in den Knubbeln kleine Lebewesen stecken. „Ich habe mich schon auf die Lauer gelegt und gehofft, einmal ein Tierchen schlüpfen zu sehen. Aber ich hatte kein Glück.“ Versprechen kann der Förster indes, dass jeder, der die Augen aufhält, die kleinen Larvenkammern entdeckt.

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