Eishockey Gnadenlose Frustbewältigung des deutschen WM-Teams

Geballte Entschlossenheit spricht aus dem Gesicht von Parker Tuomie (Mitte), als er Kai Wissmann zu dessen Tor zum 2:0 gratulier
Geballte Entschlossenheit spricht aus dem Gesicht von Parker Tuomie (Mitte), als er Kai Wissmann zu dessen Tor zum 2:0 gratuliert. Rechts der künftige Mannheimer Marc Michaelis.

Vizeweltmeister Deutschland hat mit der bisher besten Turnierleistung die perfekte Reaktion auf die herben Schlappen gegen die USA und Schweden gezeigt. Gegen Lettland funktioniert die Torfabrik. Und das in einer Art Auswärtsspiel.

Mit dem höchsten WM-Sieg seit 22 Jahren wieder in der Spur: Deutschlands Eishockey-Cracks haben sich bei der Weltmeisterschaft in Tschechien den Frust von der Seele geschossen. Nach dem 8:1 (2:0, 5:1, 1:0) am Dienstag gegen den WM-Dritten Lettland ist der Vizeweltmeister wieder voll auf Kurs in Richtung Viertelfinale. Der Knoten scheint geplatzt. „Es hätte nicht besser laufen können“, jubelte der wieder fitte NHL-Angreifer Nico Sturm von den San Jose Sharks.

Vor 8652 Zuschauern in Ostrava sorgten Tore von JJ Peterka (26./36.), Dominik Kahun (6.), Kai Wissmann (19.), Leonhard Pföderl (21.), Parker Tuomie (23.), Marc Michaelis (31.) und Nico Sturm (45.) für den mit Abstand bislang höchsten WM-Sieg überhaupt gegen die Letten. Bei einer WM hatte es zuletzt 2002 beim 9:2 gegen Japan einen höheren Sieg gegeben.

Peterka atmet auf

„Das hat viel mit den letzten Tagen zu tun. Wir haben da viel zusammen gesessen“, verriet NHL-Stürmer Peterka. Auch beim NHL-Angreifer der Buffalo Sabres, der im vergangenen Jahr zum besten Stürmer des WM-Turniers gewählt worden war, platzte am Dienstag mit seinen ersten beiden WM-Toren in diesem Jahr der Knoten. Natürlich war ich frustriert die letzten Spiele“, bekannte er: „Heute sind wir als Mannschaft richtig, richtig gut aufgetreten.“

Zuletzt hatte es gegen die beiden Turniermitfavoriten USA und Schweden zwei herbe 1:6-Klatschen gegeben. Gestern indes reagierte das Team von Harold Kreis mit der besten Turnierleistung bislang und kann sich nun mit sechs Punkten sogar noch einen Ausrutscher in den restlichen drei Vorrundenspielen leisten. Nächster Kontrahent ist am Freitag (16.20 Uhr/ProSieben und MagentaSport) Außenseiter Kasachstan. Aufsteiger Polen und Frankreich sind die weiteren Gegner.

„Jetzt fängt das Turnier für uns erst richtig an“, hatte Bundestrainer Kreis nach den beiden Pleiten zuletzt angekündigt. Mit dem genesenen Nico Sturm trat die deutsche Auswahl wie verwandelt auf. Mit hoher Intensität, Spielwitz und viel Offensivkraft dominierte das Team die Partie. Welche Bedeutung der gegen die NHL-Stars aus den USA und Schweden so schmerzlich vermisste Sturm hat, zeigte sich gleich zu Beginn. Der 29-Jährige erkämpfte an der Bande den Puck. Nach einem Schuss des baldigen Mannheimers Lukas Kälble verwandelte Kahun vom SC Bern den Abpraller zur verdienten Führung.

Die Art und Weise überzeugt

Ähnlich intensiv setzte Sturm später im Schlussdrittel nach und arbeitete den Puck regelgerecht zum 8:1 ins Netz. „Wichtiger als das Ergebnis war heute die Art und Weise“, meinte Sturm hinterher. Die deutlich überlegende deutsche Mannschaft hatte es anfangs sogar noch verpasst, schnell nachzulegen. Ein starkes Solo von Berlins Meisterspieler Wissmann in Überzahl sorgte dann doch für den zweiten Treffer. Wieder war Sturm beteiligt und bereitete vor. Wissmanns Berliner Teamkollege Pföderl traf direkt nach Beginn des zweiten Durchgangs zur frühen Vorentscheidung, die nun auch kontinuierlich ausgebaut wurde.

Der Vizeweltmeister war weiter gnadenlos. Straubings Tuomie erhöhte knapp zwei Minuten später auf 4:0. Dann war auch Peterka erfolgreich. Der im Turnier bislang glücklose NHL-Profi wuchtete den Puck in Überzahl ins Netz (26.) und überwand Elvis Merzlikins. Der NHL-Keeper aus Columbus stand nun für den entnervten Kristers Gudlevskis vom DEL-Vizemeister Bremerhaven im Tor. „Wir dürfen jetzt nicht zu hoch fliegen“, warnte Kai Wissmann nach der Schicht der Torfabrik.

Die Lust auf Tore war bei der deutschen Mannschaft allerdings längst nicht vorbei. Wieder mit einem Spieler mehr auf dem Eis traf der künftige Mannheimer Michaelis zum 6:0. Zum sechsten Mal in diesem Turnier bereitete Yasin Ehliz einen Treffer vor. Und Peterka zeigte erstmals im Turnier seine Extraklasse: Mit seinem zweiten Treffer erhöhte er auf 7:0.

Rund 1000 deutsche Fans in Ostrava kamen aus dem Jubel nicht mehr heraus. Das 1:7 durch Markuss Komuls sorgte bei den rund 4000 (!) lettischen Anhängern nur für kurze Freude. Im Schlussdrittel bewiesen sie Galgenhumor angesichts der bitteren Lehrstunde und zelebrierten auf den Rängen die Welle.

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