Rhein-Pfalz Kreis „Sturmhilde“ konnte sich was leisten

Es war ein verregneter, stürmischer Freitagnachmittag. Eigentlich hatte das Team um Grabungsleiterin Hannelore Kretzschmann die Arbeit während der Notgrabung schon beenden wollen, da stießen sie auf ein Frauengrab mit reichen Beigaben – der Feierabend war vergessen. Wegen der äußeren Umstände wurde die Bestattete „Sturmhilde“ getauft, erzählt Restauratorin Ilona Hoffmann. Sie ist seit Wochen in der Werkstatt der Landesarchäologie Speyer damit beschäftigt, die Fundstücke sorgsam zu säubern: mit Skalpell, warmem Wasser, weichen Bürsten oder Ultraschallmeißel. „Ich mache auch viel mit den Fingern, weil ich da mehr Kontrolle habe“, sagt sie. Denn Dreck und Korrosion müssen sehr vorsichtig abgehoben werden, um die darunter liegende Oberfläche nicht zu beschädigen. Den Prozess beschreibt die Fachfrau als „langwierig“. Brüchige Teile müssen immer wieder mit konservierendem Kunstharz getränkt werden. Was da unter Erde und Rost herausgearbeitet wird, entpuppt sich als pompöse Grabbeilage einer zweifellos wohlhabenden und hochgestellten, vielleicht sogar adeligen Frau. Darauf deuten kostbare Metalle und Edelsteine hin, aber auch die Vierfibeltracht der „freien Fränkin“, wie es heißt, also vier Broschen. Zwei kleine vergoldete und mit Almandinsteinen verzierte Adlerfibeln aus Silber befanden sich in Halsnähe, zwei vergoldete fränkische Bügelfibeln in Schoßhöhe. In Taillenhöhe trug die Frau an einem Gehängeband Utensilien wie die Spinnwirtel – den wohl kostbarsten und seltensten Fund, denn er besteht aus Bergkristall und diente dazu, beim Spinnen den Wollfaden glatt zu ziehen. Und die Frau besaß einen zierlichen, langstieligen Sieblöffel und ein Messer mit Goldgriff in einer Lederscheide. Zwar handelt es sich um Gebrauchsgegenstände, aber sie waren zugleich aufgrund ihres Materials – Bergkristall, Silber und Gold – Statussymbole. „Am Gürtel sollten sie allen zeigen: Ich kann es mir leisten“, erklärt Ulrich Himmelmann, Leiter der Landesarchäologie Speyer. „So wie der Porsche, der vor der Garage steht.“ Die Enden dieses Gürtels oder Gehängebands waren mit goldenen Riemenzungen verstärkt. Das Gold ist reich verziert. „Die Goldschmiede haben damals tolle Sachen gemacht“, ist Ilona Hoffmann begeistert. Sie vergleicht den Fund mit dem 1959 unter dem Kölner Dom entdeckten Grab der Wisigarde, der um 535 gestorbenen zweiten Frau des Merowingerkönigs Theudebert – ein Hinweis auf die Zeit, in der die Frau gelebt haben mag. Das Frauengrab stellt sich als eines von wenigen vergleichbaren Funden in der Vorderpfalz heraus. Als „Mosaikstein“ bezeichnen es die Archäologen, „der die wenig bekannte Zeit des Frühmittelalters zwischen dem Ende des römischen Reichs und dem Hochmittelalter erhellt“, bewertete Kretzschmann die Entdeckung im vergangenen Jahr. 29 Funde sind auf einem Foto des Grabs dokumentiert mit der genauen Lage am und neben dem Skelett. Die menschlichen Überreste seien jedoch sehr schlecht erhalten, berichtet Ulrich Himmelmann. Das erschwere eine anthropologische Untersuchung. Doch wie kommt eine so hochgestellte Person nach Heßheim und wie lebte sie? „Die fränkisch-alemannische Bevölkerung bewohnte oft auch die verlassenen römischen Landgüter“, erklärt Ulrich Himmelmann. Und von denen gab es in der Pfalz wohl einige. Was die Kostbarkeiten wie Bernstein, Gold, Silber, modisch gefertigten Schmuck und Gebrauchsgegenstände betrifft, verweist er darauf, dass das Frankenreich ein großes stattliches Gebilde mit internationalen Handelskontakten gewesen sei. Termin Der Leiter der Landesarchäologie Speyer, Ulrich Himmelmann, wird in einem Vortrag am 5. April, 19 Uhr, die Funde vorstellen und ihre Bedeutung für Heßheim einordnen. Der Ort wird noch bekanntgegeben.

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