Rhein-Pfalz Kreis Streben nach Weltruhm für Goldhut

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Wohlstand hat der Goldene Hut von Schifferstadt dem Bauer Joseph Eckrich gebracht, der den wertvollen Bodenschatz auf den Tag genau heute vor 180 Jahren auf seinem Acker ausgegraben hat. Ruhm könnte der historische Fund aus der Bronzezeit Schifferstadt und der Pfalz in Zukunft bringen. Das Historische Museum der Pfalz in Speyer bereitet den Antrag vor, den Goldenen Hut ins Weltdokumentenerbe der Unesco eintragen zu lassen.

Schifferstadt

. Spatenstich um Spatenstich gräbt sich Jakob Gemeiner an jenem Aprilnachmittag im Jahr 1835 durch Ackerboden. Für einen Tagelohn hilft der 23-Jährige dem Bauern Joseph Eckrich, den Boden umzugraben und Erde von diesem auf einen anderen Acker zu bringen. Harte Feldarbeit. Es ist etwa 16 Uhr, als der Gehilfe plötzlich mit seinem Spaten auf etwas Hartes stößt. Er ruft Bauer Eckrich, zusammen graben sie einen Metallgegenstand aus. Er ist goldglänzend und von seltsamer Form. Eine Krone? Oder eine Mütze? Sie untersuchen den Boden. Das Objekt steht auf einer Platte, die beim Berühren unter ihren Fingern zerbröselt. Am Rand des Fundstücks finden sie drei Beile aus Bronze – angelehnt an den oberen Teil der Krone. Das seltsame Ding ist mit Ringen und runden sowie ovalen Ornamenten verziert. Und es lässt Bauer Eckrich keine Ruhe. Er macht sich auf den Weg zum Bürgermeister Franz Jacobus und meldet seinen Fund. Zum Glück! Denn so wird das wertvolle historische Relikt samt seiner genauen Lage mehrfach protokolliert und für die Nachwelt erhalten. Nachlesen können Interessierte das Ereignis in dem 1998 von der Stadt herausgegebenen Buch „Schifferstadt – Geschichte und Geschichten“. Darin hat der Schifferstadter Bernhard Kukatzki die alten Protokolle, Überlieferungen und Zeitungsberichte zu einem mehrseitigen Bericht über den Fund zusammengetragen. Darin ist auch zu lesen, dass Eckrich, Vater von sechs Kindern, „sich am Hut eine Goldene Nase verdiente“. Er erhielt 530 Gulden, etwas mehr als den damaligen Goldwert, wie eine Quittung belegt. Wenngleich der Goldhut mehr wert ist, war die gezahlte Summe samt der Belohnung von 120 Gulden und der Eintrittsgelder für eine Ausstellung von 40 Gulden, die an ihn flossen, für damalige Verhältnisse ein Vermögen, für das man sich ein kleines Anwesen kaufen konnte. Nicht bekannt ist, ob der arme Tagelöhner Jakob Gemeiner vom Geldsegen etwas abbekam, schreibt Kukatzki. Der Goldhut sorgte schon damals für Furore: In der „Neue Speyerer Zeitung“ – 1835 eine der „bedeutendsten Zeitungen Südwestdeutschlands“ – erschien am 1. Mai 1835 ein Bericht, der sich ausführlich mit dem Fund beschäftigte. Darin dokumentiert sind auch erste Vermutungen, aus welcher Zeit der Goldhut stammt und was für eine Bedeutung er für unsere Vorfahren hatte. Redakteur und Verleger Georg Friedrich Kolb war sich sicher, dass er bei religiösen Handlungen verwendet wurde. Er vermutete zunächst einen ägyptischen, dann einen alt-persischen Ursprung. Heute gehen die Historiker davon aus, dass der Hut aus der mittleren Bronzezeit stammt, etwa aus dem 14. Jahrhundert vor Christus. Einige Wochen nach jenem schicksalhaften Tag im April 1835 ging der Hut erst einmal auf Reisen: zum Staatsministerium nach München. Auf Geheiß des Königs Ludwig I. wurde der Goldhut der Akademie der Wissenschaft übergeben. Nach Schifferstadt kehrte er erst nach 100 Jahren zurück. Zum Jahrestag wurde er im Heimatmuseum ausgestellt. Eintritt: zehn Pfennig. Zuletzt zeigte 1982 der Verein für Heimatpflege den Goldhut, schreibt Kukatzki. Der Erlös wurde für das Heimatmuseum im „Adler“ verwendet. 1977 ziert das wertvolle Artefakt eine Briefmarke der Deutschen Bundespost. Dennoch war der bedeutende historische Fund lange Zeit bei den Schifferstadtern nicht sehr präsent, erläutert Oskar Schmidt. Der pensionierte Biologe und Hobby-Historiker zog vor vielen Jahren nach Schifferstadt. Zusammen mit dem Heimatpflegeverein hat er den Schifferstadter Goldhut in den vergangenen Jahrzehnten wieder populär gemacht. Mit Erfolg: Der Goldhut – einst kultisches Objekt – hat heute wieder Kultstatus. Eine Sandstein-Skulptur verziert einen Verkehrskreisel, Vereine und Gaststätten tragen seinen Namen, viele Künstler verewigen den Goldhut in ihren Werken und der Weg zum Fundort wurde ausgeschildert. Und seit vergangenem Jahr weisen Schilder an der Autobahn 61 auf den Fundort hin (wir berichteten). Der Goldhut reiht sich heute in die Reihe Schifferstadter Attraktionen neben den Ringern und dem Rettich gleichberechtigt ein. Zurecht, sagt Oskar Schmidt, denn der Goldhut hat seiner Meinung nach einen hohen archäologischen und kulturellen Wert für Mitteleuropa. Durch ihn werde überliefert, „welche überraschend hohe Fähigkeiten und astronomische Kenntnisse unsere Vorfahren in der mittleren Bronzezeit vor 3400 Jahren nördlich der Alpen und hier im Speyer-Ludwigshafener Raum hatten“, sagt Schmidt. Und das Besondere: „Der Fundort ist wissenschaftlich gut untersucht und bis hin zum Queckbrunnen nicht bebaut, also weitgehend noch so erhalten wie in der Bronzezeit.“ Als 2013 die Himmelsscheibe von Nebra – ebenfalls ein Artefakt aus der Bronzezeit – ins Weltdokumentenerbe aufgenommen wurde, reifte auch bei Oskar Schmidt die Idee nach einem solchen Ritterschlag für den Goldhut. Die Stadt und der Verein für Heimatpflege unterstützten die Ambitionen und beauftragten Schmidt, die Sache voranzutreiben. Dieser wandte sich ans Historische Museum der Pfalz in Speyer, wo das kostbare Stück ausgestellt wird, und stieß auf offene Ohren. „Wir waren von der Initiative positiv überrascht“, sagt Lars Börner, der als wissenschaftlicher Museumsmitarbeiter den Antrag vorbereitet. Grundsätzlich werden ins Weltdokumentenenerbe keine archäologischen Funde aufgenommen. Die Himmelsscheibe von Nebra habe aber dafür den Weg bereitet. Nun soll mit einem Anschreiben an die deutsche Unesco-Kommission in Bonn der Antrag gestellt werden. Die entscheidet, ob das Ansinnen auf internationaler Ebene Aussicht auf Erfolg hat. Bei diesem ersten Schritt möchte Börner nichts überstürzen, um die Chance auf den Titel nicht zu vertun. Derzeit sucht das Museum Gutachter, die den Hut und seine Bedeutung bei einem positiven Bescheid aus Bonn für den eigentlichen Antrag untersuchen sollen. Denn die Bedeutung des Artefakts wird laut Börner in der wissenschaftlichen Welt ambivalent betrachtet. Vor allem, weil die Bedeutung der Ornamente auf dem Hut noch nicht genau entschlüsselt ist. „Es ist nicht sicher, dass der Goldhut eine kalendarische Informationen hat“, erklärt Börner. Das schmälere nicht die Chance, mit dem Antrag erfolgreich zu sein, erfordere aber eine intensive wissenschaftliche Begleitung. Dabei sollten unbedingt die drei anderen Goldhüte, die in Deutschland und Frankreich gefunden wurden, mit einbezogen werden. Darum favorisiere das Museum, den Antrag für alle vier Hüte zu stellen. „Dafür müssen aber viele Gespräche geführt werden“, sagt der Historiker. Dennoch plant er, in diesem Jahr den Erst-Antrag zu stellen. Würde es gelingen, könnte die Region profitieren, meint Börner. Und mit ihr das Museum. Dieses soll in den kommenden Jahren umgebaut und neu gestaltet werden. Ein renommierter Titel für ein Objekt wie den Schifferstadter Hut käme dem zupass.

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