Pirmasens Warum Hans Koch auch nach 70 Jahren im Gesangverein noch große Ziele hat

Hans Koch mit seiner Urkunde für 70 Jahre aktives Singen.
Hans Koch mit seiner Urkunde für 70 Jahre aktives Singen.

1953 trat Hans Koch beim Männerchor Pirmasens ein. Der Verein hat sich vor zwei Jahren aufgelöst – aber sieben Mitglieder wollten Gesang und Geselligkeit nicht missen und schlossen sich deshalb dem Gesangverein Hengsberg an. Peter Thiessen sprach mit dem 89-jährigen Sänger über dessen außergewöhnliches Engagement.

Was hat Sie dazu bewegt, vor 70 Jahren einem Gesangverein beizutreten?
Reiner Zufall. Ich war damals auf dem Weg in die Stadt, als ich einen Nachbarn in „de Schaffkläder“ (Arbeitskleidung) traf. Er fragte mich, wo ich hin wolle. Ich sagte: ins Kino oder so. Er darauf: Ei horch, wenn ich gegessen habe, gehe ich noch in die Singstunde im Tivoli. Wenn du willst, geh doch mit. So kam ich zum Männerchor. Wenn ich als junger Kerl statt zum Gesangverein zu den Turnern gegangen wäre, wäre ich jetzt Turner.

Aber jetzt sind Sie beim Gesangverein Hengsberg. Wie kam es dazu?
Der Männerchor Pirmasens hat sich während der vergangenen drei Jahre weitgehend aufgelöst. Erstens ist unser damaliger Dirigent gestorben und einen neuen Dirigenten konnten wir uns nicht mehr leisten, weil auch etliche aktive Sänger verstorben sind. Außerdem hatten wir auch kein Probelokal mehr: Das war früher eine Gaststätte am Blocksberg. Dann sind wir ins Sportheim Ruhbank gewechselt, aber da ist inzwischen auch kein Wirtschaftsbetrieb mehr. Die restlichen Sänger, die noch da sind, haben dafür gestimmt, dass wir beim Gesangverein Hengsberg anfragen, ob wir da eine Verstärkung sein können. Wir fühlen uns sehr wohl hier und hoffen, dass es noch ein bisschen weitergeht.

Dann muss das Singen für Sie schon etwas von Magie haben. Normalerweise, wenn sich ein solcher Chor auflöst, liegt viel Frust in der Luft, und die übrig Gebliebenen haben keine Lust mehr auf Verein.
Das könnte man sagen. Aber uns fehlte die Geselligkeit. Die ganze Woche über hat man nur Alltag, und wenn man dann in Gesellschaft kommt, ist das eine ganz andere Umgebung. Da wird dumm gebabbelt, da werden ein paar Witze gekloppt, und da werden natürlich auch aktuelle Themen gewälzt. Es ist halt immer ein bisschen Gedankenaustausch, Neuigkeiten mitteilen, das ganz normale Vereinsleben eben.

Also war die Geselligkeit ihre Motivationen, dem Gesangverein beizutreten?
Am Anfang war es einfach das Singen, mit der Zeit ist natürlich die Geselligkeit dazugekommen. Da fühlt man sich wohl und ist gerne dabei, wenn irgendwas ist. Wenn's Thema drauf ist, erinnert man sich auch gerne zurück, an schöne Stunden und schöne Wanderungen. Karfreitagstour, Ostertour, Sommerfest und Herbstfahrten. Ehe man sich versah, war man schon mittendrin in der Vorweihnachtszeit, wo es auch immer Aufgaben und Vorbereitungen für unsere Konzerte gab.

Sie werden im nächsten Jahr 90 Jahre alt. Von Ihrer Stimmlage her sind Sie ein Tenor. Wie schwierig ist es im Alter, diese Stimmlage noch zu erhalten?
Natürlich verändert sich das alles mit der Zeit, ist ja klar. In den Glanzjahren war das natürlich ganz anders. Da haben wir, als wir zuvor im Tivoli geprobt hatten, auf dem Heimweg in der Rodalber Straße beim Abschied noch drei, vier Lieder gesungen. Plötzlich sind die Rollläden hochgezogen worden, die Fenster wurden geöffnet, und die Leute hörten uns zu. Für uns war das ein Zeichen, dass unser Gesang gut ankam. Es gab zwar keinen Applaus, aber die Leute haben auch kein Wasser aus dem „Haawe“ runtergeschüttet.

Ihr wart ja ein reiner Männerchor. Jetzt aber sind Sie in einen gemischten Chor gekommen. Wie klappt das?
Klar muss man sich da ein bisschen umstellen. Wir machen, was möglich ist, und wenn man sich wohl fühlt, hat das schließlich auch eine Bedeutung.

Die Gesangvereine klagen über fehlenden Nachwuchs. Was müsste Ihrer Meinung nach geschehen, dass wieder mehr Mitglieder in die Musik- beziehungsweise Gesangvereine kommen?
Auch darüber haben wir uns unterhalten. Dieses Leiden haben alle Vereine, nicht nur die Gesangvereine. Egal, welcher Club das ist, die haben alle Nachwuchsschwierigkeiten. Meine Meinung ist, dass es nach dem Krieg versäumt wurde, die Kultur zu fördern. Das ist in der Schule zu wenig beachtet worden. Singen hat damals in den Schulen weitgehend gar nicht mehr stattgefunden. Das war ein Versäumnis von offizieller Seite.

Welche Ratschläge können Sie jungen Mitgliedern geben, die dem Verein beitreten wollen oder sich noch am Anfang ihrer musikalischen Reise befinden?
Ratschläge? Wenn ich das wüsste, hätten wir das Mitgliederdilemma heute nicht. Wir hatten mal eine Zeit, Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre im Männerchor. Da haben wir mal sieben oder acht Schulabgänger gehabt, da war mein Sohn dabei. Dann ist folgendes passiert: poussiert, Beruf und danach… Wenn drei oder vier dieser jungen Leute aus diesen Gründen nicht mehr kommen konnten oder nicht mehr wollten, hatten die anderen auch keine Lust mehr. Man freut sich ja heutzutage schon, wenn ein junger Rentner zum Gesangverein kommt. Das wäre auch schon mal eine Lösung, wenn solche Leute kämen. Es müssen ja keine 20-Jährigen sein.

Für 70 Jahre aktives Singen sind Sie vom Kreis-Chorverband geehrt worden. Eine schöne Geste und gleichzeitig eine Motivation für Sie, weiterhin dabeizubleiben?
Klar, klar. Sie können gerne schreiben: Er wird weiterhin noch „Schticker 20, 30 Johr singe“. Ich habe schon ein paarmal gesagt: Wir müssen ja nicht 150 Jahre alt werden, aber 120 wäre schon gut. Schön sind ja diese Stunden, die man gemeinsam erlebt. Das ersetzt so manches Medikament.

Info

Sieben Sänger des Männerchors Pirmasens haben sich dem Gesangverein Hengsberg angeschlossen, der jetzt aus 26 aktiven Sängerinnen und Sängern besteht. Insgesamt zählt der Verein 75 Mitglieder.
Es wurden am Samstagabend außerdem geehrt: Hermann Kuntz für 50 Jahre aktives Singen und Karlheinz Hügel für 25 Jahre.

Der Hengsberger gemischte Chor bei seinem Frühlingssingen im Sportheim.
Der Hengsberger gemischte Chor bei seinem Frühlingssingen im Sportheim.
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