Pirmasens Projekt soll Skepsis abbauen

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Trotz des sich abzeichnenden Fachkräftemangels haben es die aktuell gut 1000 schwerbehinderten, arbeitsfähigen Arbeitslosen in der Westpfalz schwer, einen Job zu finden. Einen Durchbruch, die Vermittlung von etwa einem Drittel der Jobsuchenden, soll nun ein neues Gemeinschaftsprojekt von Arbeitsagentur, der Heinrich Kimmle Stiftung, Zoar und dem Ökumenischen Gemeinschaftswerk Pfalz schaffen. Das Bundesarbeitsministerium stellt für drei Jahre 2,4 Millionen Euro zu Verfügung.

„Das ist eine Chance, die wir noch nie hatten. Besonderen Menschen kann nun besonders geholfen werden“, sagte Hans-Joachim Omlor, der Chef der Agentur für Arbeit Kaiserslautern-Pirmasens, am Montag bei der Projektvorstellung. Die Integrationsbetriebe und Behinderten-Werkstätten betreibenden Partner bringen ihr Know-how im Umgang mit Schwerbehinderten und Arbeitskräften suchenden Arbeitgebern ein. Zwölf sogenannte Fachbetreuer, Sozialpädagogen mit tiefem Einblick in betriebliche Abläufe, wurden eingestellt. Über zwei Büros, in Kaiserslautern und Pirmasens, und an sechs weiteren Standorten (Dahn, Kirchheimbolanden, Kusel, Landstuhl, Rockenhausen und Zweibrücken) werden die für das über drei Jahre laufende Projekt ausgewählten Schwerbehinderten, sowohl körperlich wie geistig Gehandicapte, betreut. Und genauso die aufnahmewilligen Arbeitgeber. 576 arbeitslosgemeldete Schwerbehinderte werden zur Teilnahme eingeladen. Gezwungen werde niemand, hieß es am Montag. Alle sieben eingerichteten Jobcenter in der Westpfalz, auch die beiden kommunalen in Pirmasens und Kusel, sind im Boot. Aus den gut 1000 von ihnen betreuten Schwerbehinderten wurde etwa die Hälfte ausgewählt. Sie kommen für die Intensivbetreuung infrage. Nicht dabei sind zwar arbeitsfähige, aber akut erkrankte oder mit einer Suchproblematik belastete Behinderte. „Wir haben uns vorgenommen, 60 Prozent der Betreuten auf einen sozialversicherungspflichtigen Dauerarbeitsplatz zu vermitteln“, bestimmt Marco Dobrani, Vorstand der Pirmasenser Heinrich Kimmle Stiftung und Sprecher der rheinland-pfälzischen Arbeitsgemeinschaft der Sozialunternehmen, den hohen Anspruch. Man nehme sich in der Inklusionsinitiative Westpfalz, so der Name, seitens der Werke Menschen an, die man bislang nicht betreut habe. Während in den Werkstätten Behinderte beschäftigt werden, die dem ersten Arbeitsmarkt wegen des Grades ihrer Beeinträchtigung nicht zu Verfügung stehen, sind es im Projekt Menschen, die einer Erwerbsarbeit nachgehen können und wollen, aber bislang aus unterschiedlichen Gründen nicht zum Zuge kamen. Auch aus einer Zurückhaltung, einer Skepsis der Arbeitgeber ihnen gegenüber. Die zwölf hauptamtlichen Mitarbeiter sollen in beider Richtung Hemmnisse abbauen. „Der Arbeitgeber erkennt vielleicht, dass ihn eine Arbeitskraft trotz ihrer Schwerbehinderung entlasten kann. Gerade dann, wenn klar ist, welche Hilfen und Unterstützung ihm von Reha-Trägern angeboten werden“, setzt Dobrani auf praktische Überzeugung im Projekt. Der Lohn eines Schwerbehinderten wird im Schnitt mit 50 bis 60 Prozent bezuschusst, dazu kommt die Übernahme von Hilfsmitteln. Diese Möglichkeiten gibt es nicht erst seit gestern. Was aber neu ist: Kommen im normalen Jobcenter-Betrieb 140 bis 180 Arbeitslose auf einen Vermittler, auch für Schwerbehinderte, sind es im neuen Projekt nur zwölf. Die intensive Betreuung, angefangen vom „Matching“, dem Abgleich von Qualifikationen der Bewerber mit der exakten Aufgabenstellung eines freien Arbeitsplatzes, bis zur Betreuung im Praktikum und in der Festanstellung, ist nur mit dem hohen Personaleinsatz möglich. Das im zweiten Anlauf der Bewerbung zugesagte Geld des Bundesarbeitsministeriums geht zum größten Teil für Personal, Büros und Betriebsmittel drauf. Die dreijährige Laufzeit ist in vier Etappen, also je neun Monate, aufgeteilt. Je Etappe werden 144 Schwerbehinderte betreut. Die Inklusionsinitiative Westpfalz startet jetzt. Das Büro in Pirmasens wird bei der Kimmle-Stiftung in der Adam-Müller-Straße eingerichtet. Das Pirmasenser Jobcenter hat 50 arbeitslose Schwerbehinderte für das Projekt vorgeschlagen. Laut Arbeitsagentur waren in Pirmasens im Jahresschnitt 2015 188 Schwerbehinderte arbeitslos gemeldet, in der Südwestpfalz 203. Dass Schwerbehinderte ihren Mann oder ihre Frau in unterschiedlichen Unternehmen stehen, ist belegt. 2783 Schwerbehinderte waren 2014 in der Westpfalz sozialversicherungspflichtig beschäftigt. 250 mehr als im Jahr 2010. Dennoch gibt es die Zurückhaltung der Arbeitgeber. Der gesetzlichen Pflicht zur Beschäftigung von Schwerbehinderten unterliegen aufgrund ihrer Größe in der Westpfalz 769 Unternehmen mit 85.000 angerechneten Arbeitsplätzen. Öffentliche Arbeitgeber, also Verwaltungen, auch die Agentur für Arbeit, erfüllten ihre Beschäftigungspflicht 2014 (2015er Zahlen liegen noch nicht vor) nur zu 6,1, private gar nur zu 4,0 Prozent. Das Gros zahlt die sogenannte Ausgleichszahlung, aus der unter anderem die Werkstätten finanziert werden. |cps

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