Pirmasens „Die Leute zahlen aus Angst“

Was waren denn so die üblichen Themen, als Sie vor 38 Jahren nach Pirmasens kamen?

Damals fragten die Verbraucher viel nach Haushaltsgeräten. Welche Waschmaschine oder welchen Staubsauger sie kaufen sollten. Ein großes Thema war auch Einmachen und Tiefkühlkost. Das waren mehr praktische Sachen. Sie waren damals ganz allein als Beraterin? Am Anfang habe ich alles gemacht, auch Versicherungen, Energie und Banken. Heute ist alles sehr spezialisiert. Das muss es auch sein. Ich habe mich inzwischen auf Telekommunikation, Medien und die ganze Internetabzocke spezialisiert. Rein optisch hat sich in der Verbraucherberatung auch einiges geändert. Stimmt. Früher hatten wir viele Kopien. Ganz am Anfang gab es vielleicht zwei oder drei gedruckte Broschüren. Erst später kamen richtige Infoblätter hinzu. Ich kann mich auch noch gut an den Einkaufswegweiser erinnern, den wir jede Woche für die RHEINPFALZ gemacht haben mit seinen Preisvergleichen. Hat die Nachfrage für Ihre Beratungen durch das Internet und seine Beraterseiten abgenommen? Im Gegenteil. In den ersten Jahren kamen wir auf 300 bis 400 Anfragen pro Jahr. Heute sind es zwischen 5000 und 7000. Das hängt auch immer davon ab, ob es ein Jahr mit einer Hageha-Messe war oder nicht. Die Messe treibt die Anfragen immer hoch, weil wir dort mit einem Stand sind. Inzwischen sind Sie im zweiten Stock am Exerzierplatz. Hemmt das die Besucher? Das ist kein Problem für die Leute. Die kommen ja gezielt, weil sie etwas von uns wollen. Das ist ja nicht so, dass sich jemand nur mal umsehen will. Da hat sich auch nichts durch die von Ihnen verlangten Gebühren geändert? Irgendwann waren die Finanzen zu knapp. Früher wurden wir von Land und Bund finanziert. Jetzt ist es nur noch das Land und es gibt noch Projektmittel vom Bund. Unsere Gebühren sind ja auch nicht kostendeckend und sie stellen nur eine Pauschale dar. Manche Menschen schreckt es schon ab, aber die meisten sehen es ein. Und dann gibt es ja immer noch viele kostenlose Infos. Die Energieberatung beispielsweise ist ganz gratis. Was ist denn die gravierendste Änderung in der Beratung, die sie im Laufe der Jahrzehnte bemerkt haben? Früher waren es Fragen wie Aussteuer oder auch Vorratshaltung. Das gibt es heute nicht mehr. Wer macht denn noch ein? Der ganze Komplex mit Putzmitteln fiel weg. Da hat sich auch viel getan. Diese umweltschädlichen Waschmittel gibt es heute ja gar nicht mehr. Heute wird die Beratung eher wegen Telefontarifen, Strompreisen oder Energiesparen gesucht. Gerade der Boom der Neuen Medien hat uns einiges an Arbeit beschert. Ganz am Anfang vom Internet gab es ja noch Zehnjahresverträge. Da gab es viele Missstände, die inzwischen durch Gesetze und Verordnungen geregelt wurden. Ist es mit dem Internet einfacher oder schlimmer geworden? Das kann man so nicht sagen. Früher gab es diese ganze Globalisierung und europäischen Geschichten nicht. Bei einer Reklamation reichte es oft, zu dem Händler um die Ecke zu gehen und mal mit ihm zu reden. Heute haben wir es mit Firmen in Übersee zu tun und schreiben Briefe in die Türkei. So Sachen wie Verträge, die im Internet geschlossen werden, gab es einfach nicht. Heute ist das gang und gäbe. Und jeden Tag kommt was Neues dazu. Wenn man den einen Missstand abgestellt hat, taucht die nächste Masche auf und die Abzocke von voriger Woche ist verschwunden. Dagegen sind die Haustürgeschäfte deutlich weniger geworden. Im Gegenzug wird den Leuten über das Internet und per Telefon das Geld aus der Tasche gezogen. Die Betrüger rufen inzwischen an und behaupten, sie wären von der Polizei oder Staatsanwaltschaft. Sind die Sitten rauer geworden? Ja, auf jeden Fall. Die Verbraucher werden unter Druck gesetzt – und das massiv. Da schreiben aus heiterem Himmel Inkassobüros und Anwälte, die drohen. Die Leute haben Angst und zahlen dann. Wir können gar nicht so viele Pressemitteilungen rausgeben, wie sich das täglich ändert. Auch die Technik ändert sich rasant. Jeder ist ja heute überall online. Da bleibt der Datenschutz voll auf der Strecke. Früher war es nicht so schnelllebig und hektisch. Es ist alles viel unüberschaubarer geworden. Die Leute fragen sich überall, wem sie noch vertrauen können. Sind Institutionen wie die Verbraucherberatung heute nötiger als in den 70er Jahren? Aufklärung ist immer nötig gewesen und auch die persönliche Ansprache. Es ist oft ganz wichtig, auch einfache Sachen zu erklären.

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