Neustadt So und nicht anders darf Schumann klingen

Neustadt. „Hambach scheint mir der Mittelpunkt der Welt.“ Ein schöneres Lob für ein Festival ist kaum vorstellbar. Worte des Komponisten Paul Engel nach dem fulminanten Schumann-Auftritt des Fauré Quartetts beim Konzert des Hambacher Musikfestes in der Jakobuskirche.

Zwei Meilensteine der Kammermusikliteratur des 19. Jahrhunderts, das Klavierquartett und das Klavierquintett von Schumann, dazwischen ein vom Förderkreis „Hambacher Musikfest“ in Auftrag gegebenes, dem Mandelring Quartett und dem Pianisten Ian Fountain gewidmetes Werk - unter dem Motto „Hommage à Robert Schumann“ stand der Auftritt der beiden Weltklasse-Ensembles. Das müssen richtig glückliche Menschen sein. Die Ausstrahlung des Fauré Quartetts ist umwerfend: So ist das also, wenn der Beruf zur Berufung wird, wenn mit jedem Ton, mit jeder Phase des Körpers und Geistes die Begeisterung für die eigene Sache mitschwingt. Ohne Leidenschaft und Emotionalität geht nichts. Paul Engel hat es, bezogen auf Schumann, auf den Punkt gebracht und das Fauré Quartett hat es in Klang verwandelt: „Es gibt keinen anderen Komponisten, der die menschliche Seele so unmittelbar anspricht.“ Von Perfektion beim Fauré Quartett zu reden, wäre unangebracht. Technische Probleme scheinen für dieses Ensemble schlichtweg nicht existent. Sie fangen dort an, wo andere aufhören. Wie sie die komplexen Strukturen der Partitur klar und offen freilegen, wie sie mit ihrem untrüglichen Gefühl für die Logik der Linien Schumanns Seelenwelten vermitteln, wie sie seiner Schwungkraft mit herrlicher Intensität Ausdruck verleihen - schon nach wenigen Takten manifestiert sich der Eindruck: Nur so und nicht anders darf Schumann klingen. Den ungemein subtil präsentierten versonnenen Klangflächen des Sostenuto (mäßig langsames Musikstück) im Klavierquartett Es-Dur folgt einer der größten Hits des 19. Jahrhunderts: Eine Gratwanderung ist das sich zwischen Salonmusik und romantischer Poesie bewegende Andante Cantabile mit innig-schwärmerischem Cello-Solo. Konstantin Heidrich artikuliert mit unendlicher Wärme, mit einem zum Dahinschmelzen schönen Ton. Die anderen lassen sich mitreißen. Das Klangergebnis: Gefühlvoll, aber nicht sentimental. Erika Geldsetzer ist das Energiebündel im Ensemble, Dirk Mommerts markanter Impulsgeber am Klavier, Bratschist Sascha Frömling das vermittelnde Element. Biegsam und weich ist der Gesamtklang, wunderbar synchron gelingt das fein differenzierte Auf- und Abschwellen der Töne. Mit verblüffend präziser Leichtigkeit zaubern sie im Finale einen perfekt synchronen Stakkatoreigen. In sieben Stationen schildert Paul Engel die bewegte Biographie von Robert Schumann. Den im 20. Jahrhundert in Folge zahlreicher Kriege und dem Streben nach Technik und Perfektion verloren gegangenen Melos des Lebens möchte er in seiner „Hommage à Robert Schumann“ wiederentdecken. Als umso überraschender entpuppte sich das völlig im Gegensatz zu seinen Ausführungen stehende Klangergebnis: Vielleicht nicht kriegerisch, zumindest aber kämpferisch übersetzt das deutlich unter Strom stehende Mandelring Quartett die in jeder Hinsicht anspruchsvolle Partitur. Der Eindruck entsteht: Das Leben ist nicht Melos. Das Leben ist Kampf. Auch der Bezug zu Schumann erschließt sich – abgesehen von einigen ins wilde Streichergefecht eingestreuten Zitaten – kaum. Überhaupt befindet sich das Werk offenkundig auf der Höhe unserer Zeit, vereint sämtliche kompositorischen Errungenschaften des 20. Jahrhunderts, sprengt zuweilen deutlich die Grenzen der Tonalität. Sei’s drum: Wir fühlen uns zwar wenig an Schumann erinnert, staunen aber über eine unglaublich hochwertige, von der ersten bis zur letzten Sekunde knisternde, Spannung erzeugende Komposition. Als „ein herrliches Werk, dabei äußerst brillant und effectvoll“ charakterisierte Clara Schumann das populärste Kammermusikstück ihres Mannes, das Klavierquintett Es-Dur op. 44. Zum Abschluss geraten wir erneut ins Grübeln: Das von Ian Fountain in gewohnter Brillanz unterstützte Mandelring Quartett klingt völlig anders als das Fauré Quartett. Nicht schlechter, nicht besser. Anders eben. Unübertroffen bleibt jedoch die funkelnde Wildheit und energiegeladene Entschlossenheit, mit dem die Gastgeber Schumann zu Leibe rücken. Momenten des Innehaltens folgen explosive Temperamentsausbrüche. Vital und übersprudelnd vor Frische das elfenhafte Scherzo. Triumphal, strahlend, selbstbewusst, stürmisch das Finale - ein kompromisslos männlicher, mit unerschrockenem Biss servierter Schumann. (mp)

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