Neustadt Polizei zwitschert bald

Der alte Teppichboden ist aus dem Büro des Polizeipräsidenten verschwunden, das Parkett wieder zu sehen. An den Wänden hängen neue Bilder – moderne Kunst. Polizeipräsident Jürgen Schmitt will auch die Polizeiarbeit modernisieren. Im Oktober startet ein Pilotprojekt, das deutschlandweit Beachtung findet. Es geht darum, Gewalt gegen Frauen und Kinder einzudämmen, prügelnde Familienväter zu stoppen. „Die Ausgangsfrage ist: Kann man Gewaltexzesse bis hin zu Tötungsdelikten verhindern?“, erläutert Schmitt. Dazu soll ein Netzwerk zwischen Polizei, Staatsanwaltschaft, Jugendamt und Beratungsinstitutionen geknüpft werden. Wenn etwa die Polizei mehrfach verständigt wird, weil in einer Familie die Fäuste fliegen, dann soll das Netzwerk aktiv werden. „Das Jugendamt kann sich beispielsweise erkundigen, ob Lehrern in der Schule bei den Kindern der betroffenen Familie etwas aufgefallen ist.“ Die Polizei kann prüfen, ob Familienmitglieder wegen übermäßigen Alkoholkonsums bekannt sind. „Wir wollen gemeinsam für jeden Fall überlegen, was man tun kann“, erläutert Schmitt das Prinzip. In Wien gebe es bereits ein solches Netzwerk. „Die Kollegen dort haben hervorragende Erfahrungen gemacht. Das Gewaltniveau in den betroffenen Familien konnte deutlich reduziert werden.“ Die Verzahnung von Sozial- und Polizeiarbeit ist in Skandinavien schon weit fortgeschritten. Für Jürgen Schmitt ist das der richtige Weg. „Aber dass wir wie in Finnland Sozialarbeiter auf jeder Polizeidienststellen sitzen haben, das ist noch Zukunftsmusik. Es fehlt auch an Geld“, gibt der 57-Jährige zu bedenken. Keine Kosten hat der von Schmitt ins Leben gerufene Arbeitskreis SOS (Sicherheit, Ordnung, Sauberkeit) verursacht. Polizei und Stadtverwaltung treffen sich regelmäßig, um etwa über die Streifenpräsenz oder den Einsatz von Reinigungstrupps an bestimmten Orten der Stadt zu sprechen. Auch wie Stadtverwaltung und Polizei Demonstrationen von Neonazis begegnen, ist ein Thema. Dass aus dem Arbeitskreis vorzeitig die Überlegungen für einen Trinker-Treff am Berliner Platz nach außen in die Öffentlichkeit getragen wurden, hat den Polizeipräsidenten geärgert. „Wir müssen das erst mal grundsätzlich diskutieren und dann der Öffentlichkeit die Handlungsmöglichkeiten vorstellen. Erst dann ist eine Debatte sinnvoll. Ich persönlich tue mir mit so einem Treff schwer. “ Für sehr sinnvoll hält der Polizeipräsident den Einsatz neuer Medien wie Twitter oder Facebook in der Polizeiarbeit. „Twitter ist bestens geeignet, um an die Bevölkerung kurze Sachstände durchzugeben“, sagt Schmitt. Er führt als Beispiel das Explosionsunglück in Harthausen an, bei dem die Polizei bei der Evakuierung des Dorfs nur auf Radio- und Lautsprecherdurchsagen zurückgreifen konnte. Doch auch bei Volksfesten wie dem Dürkheimer Wurstmarkt oder FCK-Heimspielen in Kaiserslautern könne den Besuchern per Twitter schnell mitgeteilt werden, ob ein Parkplatz überfüllt sei oder ein Unfall eine Zufahrtsstraße blockiere. Im September soll der Twitterdienst starten. Außerdem soll es jeden Monat ein Video geben, dass beispielsweise auf Änderungen bei Verkehrsregeln aufmerksam macht. Jürgen Schmitt will ab 2015 über die neuen Medien eine Dialogplattform zwischen Bürgern und Polizei schaffen. So sollen sich Eltern, die etwa mit Rasern vor einer Kita Probleme haben, per Internet an die Polizei wenden können, die wiederum Geschwindigkeitskontrollen veranlassen könnte. Jürgen Schmitt hat noch viele Ideen. Mit seinem ersten Amtsjahr ist er sehr zufrieden. Er sei Chef einer jungen motivierten Truppe, die Zusammenarbeit mit den Kommunen laufe prima. „Es macht viel Spaß, hier Polizeipräsident zu sein“, sagt der Saarländer.

x