Neustadt Eine Gasse fürs moderne Theater

Neustadt. Am Puls der Zeit darf sich das Neustadter Theater-Publikum in der Schauspiel-Saison 2015/16 fühlen, denn nicht weniger als vier brandneue Stücke oder Neu-Bearbeitungen stehen auf dem Programm. Die Rolle des „Klassikers“ übernimmt diesmal Edward Albees legendäres Psychoduell „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“. Die Reverenz ans Musiktheater ist Rossinis „Barbier von Sevilla“. Die seit einiger Zeit so beliebten Roman-Dramatisierungen fehlen diesmal ganz.

Mit „Die Opferung des Gorge Mastromas“ von Dennis Kelly, „Der Mentor“ von Daniel Kehlmann und „Einsteins Verrat“ von Éric-Emmanuel Schmitt bietet die Saison drei moderne Stücke, deren Uraufführung erst zwei, drei Jahre zurückliegt. Den Auftakt macht am 15. Oktober „Die Opferung des Gorge Mastromas“, ein faustisches Drama über den modernen Raubtier-Kapitalismus, das 2012 bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen uraufgeführt wurde. Im Mittelpunkt steht Gorge Mastromas, der bis zu seinem 30. Lebensjahr darum bestrebt war, stets nach den Gesetzen von Anstand und Moral zu handeln und dafür mit einem Dasein im Mittelmaß bezahlte. Doch dann will er endlich auf der Seite der Gewinner stehen und arbeitet sich ohne Rücksicht auf Verluste bis an die Spitze eines weltumspannenden Konzerns vor. Karriere, Geld, Sex, Lügen prägen fortan sein Leben. Am Ende hat er alles dem Erfolg geopfert. Der Autor Dennis Kelly – Jahrgang 1968 – beleuchtet die Geschichte des skrupellosen Aufsteigers aus unterschiedlichen Perspektiven und mit äußerst spannend konstruierter Dramaturgie und rasant dargebotenem Spiel. Kelly selbst wuchs in ärmlichen Verhältnissen in London auf, verließ mit 16 die Schule und fand über eine theaterbegeisterte Jugendgruppe zum Theater-Studium. 2006 wurde er in der Kritikerumfrage der Zeitschrift „Theater heute“ zum besten ausländischen Dramatiker des Jahres gewählt. Seine „Opferung“ wird derzeit gleich von mehreren deutschsprachigen Bühnen gespielt. In Neustadt ist eine Inszenierung der Konzertdirektion Landgraf zu sehen. Fast genauso lang wie bei der „Opferung“ liegt die Erstaufführung von „Der Mentor“, dem zweiten Stück des Bestseller-Autors Daniel Kehlmann („Die Vermessung der Welt“), zurück, das erstmals 2012 in Wien auf die Bühne kam. Es ist eine nach Urteil aller Kritiker überaus unterhaltsame Satire auf den Literaturbetrieb, die in Neustadt am 11. Februar 2016 in einer Inszenierung der „Komödie am Kurfürstendamm“ mit Volker Lechtenbrink in einer der beiden Hauptrollen zu sehen sein wird. Es geht um zwei Dramatiker, die beide nur wegen des Honorars am Förderprojekt einer Kulturstiftung teilnehmen, bei dem ein angesehener Altmeister einem jungen Kollegen am Anfang seiner Karriere unter die Arme greifen soll. Doch schon beim ersten Aufeinandertreffen brechen die Konflikte auf, die vor allem durch den Umstand genährt werden, dass beide Männer über ein ausgesprochen ausgeprägtes Ego verfügen und sich nichts schenken. Ein Zweikampf, allerdings einer „über Bande“ und mit vielen intensiven Dialogen, prägt auch „Einsteins Verrat“, in dem der französische Bestseller-Autor Éric-Emmanuel Schmitt („Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran“) der Frage nachgeht, wieso ausgerechnet der erklärte Pazifist Albert Einstein mit seinem Brief an US-Präsident Roosevelt den Anstoß zum Bau der Atombombe gab. Der Gegenspieler des weltberühmten Wissenschaftlers ist ein Vagabund, den der Tod seines Sohnes im Ersten Weltkrieg aus der Bahn geworfen hat und der seinerseits von einem FBI-Agenten auf Einstein angesetzt wird, um diesen als Bolschewisten zu entlarven. Das Stück, das interessanterweise nicht im französischen Sprachraum, sondern 2013 in Berlin uraufgeführt wurde, schließt am 28. April 2016 die Schauspielsaison im Saalbau ab. In der Inszenierung des Theaters Thespiskarren spielen wie bei der Uraufführung Matthias Freihof und Volker Brandt die Hauptrollen. Kein völlig neues Stück, aber eine interessante Neubearbeitung verspricht schließlich Rainer Erlers Version von Henrik Ibsens „Ein Volksfeind“, das die Geschichte eines Kur-arztes, der die Verunreinigung einer Heilquelle publik macht und sich damit die erbitterte Gegnerschaft der in ihrem Wohlstand bedrohten Bürgerschaft zuzieht, zum Musterbeispiel eines Umweltskandals und der politischen Korruption unserer Tage aktualisiert. Die Hauptrolle in dem Stück der „Theatergastspiele Kempf“ spielt Rufus Beck. Die Aufführung in Neustadt ist am 5. November. Natürlich ist auch das „Pfalztheater“ in der neuen Saison wieder in Neustadt zu erleben: Die Schauspielabteilung des Kaiserslauterer Drei-Spartenhauses kommt am 25. Februar mit „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“, der „Mutter“ aller handfesten modernen Beziehungsdramen, nach Neustadt, das Musiktheater folgt am 14. April mit der komischen Oper „Der Barbier von Sevilla“ von Gioacchino Rossini. Karten Alle Aufführungen beginnen um 20 Uhr im Saalbau. Die Abonnements für die beiden Reihen sind ab sofort zu buchen über die städtische Kulturabteilung (06321/855447, karin.jakob@stadt-nw.de). Der Preis richtet sich nach dem Sitzplatz und beträgt zwischen 45 und 90 Euro für das „Schauspiel“ und zwischen 32 und 65 Euro für die „Leichte Muse“. Ermäßigungen gibt es für Schüler, Studenten, Auszubildende und Hartz4-Empfänger. Einzelkarten sind ab 1. September über die Theaterkasse (06321/ 855404) und unter www.ticket-regional. de erhältlich. Vor den Schauspiel-Abenden gibt es jeweils um 19 Uhr im Beethovensaal eine Einführung. (hpö)

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