Neustadt Bürokratie am Pranger

Auch in den Winzerbetrieben hat die Digitalisierung Einzug gehalten.
Auch in den Winzerbetrieben hat die Digitalisierung Einzug gehalten.

Viele Winzer empfinden den bürokratischen Aufwand als überbordend und zunehmend lähmend. Das kam am Donnerstag bei einem Fachgespräch zum Ausdruck, zu dem die SPD-Landtagsabgeordnete Giorgina Kazungu-Haß die Winzerbetriebe im Wahlkreis eingeladen hatte.

Als „Monster“ bezeichnete eine Teilnehmerin die von den Behörden geforderte Dokumentation. Besonders die kleinen Betriebe, die sich dafür keine Fachkräfte leisten könnten, hätten darunter zu leiden. „Wir haben keine Zeit mehr für unsere Kunden, weil wir zu viel anderes im Hinterkopf haben. Das ist wirklich eine Katastrophe“, klagte sie. Ähnlich sah es ein anderer Besucher, der fürchtet, dass dadurch kleinere Betriebe immer mehr von der Bildfläche verschwinden werden. „Damit geht die Vielfalt verloren, und das wiederum hat Auswirkungen auf die Gastronomie und den Tourismus.“ Auch Pascal Bender, der zwar kein Winzer ist, aber die Tendenz auch in anderen Branchen sieht, stimmte in die Klage mit ein: „Was aus Verbraucherschutzgründen gewollt ist, verkehrt sich teilweise ins Gegenteil“, sagte er. Da müsse die Politik „mal richtig drangehen“. Im Visier stand hauptsächlich die EU, mit deren Anforderungen die Winzer durch die Beantragung von Subventionen zu tun haben. Zum „advocatus diaboli“, also zum „Anwalt des Teufels“, warf sich Weinbau-Staatssekretär Andy Becht (FDP) auf, der zusammen mit Marco Weber, dem weinbaupolitischen Sprecher der FDP-Fraktion im Landtag, und Markus Heil, dem Leiter der Weinbauabteilung der Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz, den Winzern Rede und Antwort stand. Er müsse „mal eine Lanze für die EU brechen“, die in Gesprächsrunden meist nicht vertreten sei und so leicht zum Prügelknaben werde. Bei den EU-Subventionen gehe es schließlich um öffentliche Leistungen, und die Verordnungen gälten für ganz Europa. „Wir haben die Bürokratie doch selbst dahin gebracht, wo sie ist, weil jeder immer nur an seine Rechte denkt“, sagte er selbstkritisch. Und die Deutschen sollten sich von dem Bild lösen, dass sie „immer die Brävsten“ seien in Europa. Becht bestätigte, dass es einen Konzentrationsprozess im Weinbau gebe, und strich die positive Seite heraus: „Wir brauchen starke, mittlere Betriebe.“ Der aus Landau stammende FDP-Politiker betonte außerdem, dass die Digitalisierung nicht an den Stadtgrenzen aufhören dürfe. „Unsere Dörfer haben einen Anspruch auf Urbanität, auf Telemedizin und E-Mobility.“ Die Umstellung bei den Anträgen von EU-Subventionen von Papier auf Internet laufe nach anfänglichen Problemen im vergangenen Jahr recht gut, sagte Becht. Um einzelne Probleme, die vorgetragen wurden, versprach er, sich zu kümmern. Eine Besucherin wies darauf hin, dass durch die Digitalisierung allerdings all diejenigen, die mit der Technik nicht vertraut seien, abgehängt seien. Auch Marco Weber, hauptberuflich Landwirt in der Eifel, versuchte, den Klagen Positives entgegenzusetzen. Ja, er kenne den bürokratischen Aufwand nur allzu gut. Aber andere Branchen hätten auch damit zu kämpfen. Und: „Ich habe eine Leidenschaft für meinen Beruf.“ Die sei stärker als alles andere.

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