Ludwigshafen Zwei Frauenschicksale berühren

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„Es geht darum, Filme politisch zu machen, es geht nicht darum, politische Filme zu machen“, hat Heidelbergs Bürgermeister Joachim Gerner den Regisseur Jean-Luc Godard zitiert. Und schon lange hat die politische Komponente bei der Auswahl der Preisträger des internationalen Filmfestivals Mannheim-Heidelberg keine so starke Rolle mehr gespielt wie bei seiner 65. Ausgabe, die gestern zu Ende ging. Der irakische Regisseur Hussein Hassan hat den Grand Newcomer Award für seinen Film „The Dark Wind“ erhalten.

Schon zur Eröffnung hatte Festivaldirektor Michael Kötz auf den Umstand verwiesen, dass viele der Newcomer-Regisseure sich mit der politischen Situation in ihren Heimatländern auseinandersetzen oder die politische Vergangenheit aufarbeiten. Deshalb überwogen im diesjährigen Programm ernste Filme. Doch das Publikum ließ sich von der schweren Kost nicht abschrecken. Rund 60.000 Besucher strömten während der zehn Festivaltage in die Kinos in Mannheim und Heidelberg. „Wir haben zur Preisverleihung einen vollen Kinosaal, und nebenan ist auch ausverkauft“, freute sich Kötz. Mit dieser Besucherzahl sei das internationale Filmfest eines der publikumsstärksten Festivals in der Metropolregion Rhein-Neckar, erklärte Mannheims Kulturbürgermeister Michael Grötsch. Trotz seiner 65 Jahre zeige das Festival keinerlei Ermüdungserscheinungen, im Gegenteil: „Es hat eine treue Fangemeinde in der Region.“ Die Förderung junger Talente stehe im Vordergrund, seit Michael Kötz vor einem Vierteljahrhundert die Leitung des Festivals übernommen habe: „Dafür ein herzliches Dankeschön.“ Dem schloss sich Heidelbergs Bürgermeister Joachim Gerner an, der zudem die reibungslose Kooperation zwischen den Städten Mannheim und Heidelberg hervorhob: „Der Vertrag wird am 1. Januar 2017 fortgeschrieben.“ Mit Aktualität und Brisanz besticht die irakisch-deutsche Koproduktion „The Dark Wind“, der die internationale Jury den Grand Newcomer Award verlieh. Die junge Jesidin Pero wird beim Überfall auf ihr Dorf von Kämpfern des sogenannten Islamischen Staats verschleppt und als Sexsklavin verkauft. Ihrem Verlobten gelingt es jedoch, sie freizukaufen. Doch die junge Frau ist traumatisiert, als sich auch noch herausstellt, dass sie schwanger ist, stellt sich der künftige Schwiegervater gegen die Verbindung. Der Film wird innerhalb der jesidischen Gemeinschaft kontrovers diskutiert, in Heidelberg stürmte eine Gruppe von Jesiden das Kino und unterbrach kurzzeitig eine Vorstellung. Bei der Preisverleihung hingegen blieb alles ruhig. „Der Film ist unter sehr schwierigen Bedingungen entstanden“, erzählt Hussein Hassan. „Wir hätten nie damit gerechnet, einen Preis zu erhalten, umso mehr freuen wir uns.“ Über den Special Newcomer Award freute sich die türkische Regisseurin Çigdem Sezgin. Ihr Film „Wedding Dance“ erzählt die Geschichte von Leyla, die sich in Ahmet verliebt. Doch der ist 20 Jahre jünger als sie und eigentlich verlobt. Selbst in Istanbul, das immer mehr von seiner Weltoffenheit und Modernität verliert, ist das ein Tabubruch, für den Leyla nicht nur von ihrer eigenen Mutter angefeindet wird. Die politische Aussagekraft der beiden Wettbewerbsbeiträge machte für die Jury so manche filmkünstlerische Schwäche wett, so sendet das Internationale Filmfestival selbst eine politische Botschaft. Den Publikumspreis gewannen zwei Filme. „Moon Dogs“ ist Roadmovie, „Coming-of-Age“-Story und Musikfilm in einem. Zwei ungleiche Brüder hauen von den Shetland Inseln ab nach Glasgow und treffen dabei eine junge Frau, die ihnen den Kopf verdreht. Der walisische Regisseur Philip John freute sich sehr über die Auszeichnung. „Mein Film hat noch keinen Verleiher, vielleicht ändert sich das jetzt bald.“ Der serbische Beitrag „Train Driver’s Diary“ überzeugte die Zuschauer mit seinem makaberen Balkan-Humor. Im Mittelpunkt des Films steht eine Gruppe von Zugführern, die damit leben müssen, immer wieder das Leben von Menschen zu beenden, die sich vor ihren Zug werfen. „Das ist ein tolles Festival mit einem tollen Publikum“, bedanke sich Regisseur Milos Radovic. Kultur

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