Ludwigshafen Was war und was sein wird

Mal lustig, mal sehnsüchtig, mal nachdenklich: Roswitha Goos im Frack und mit Melone auf dem Kopf.
Mal lustig, mal sehnsüchtig, mal nachdenklich: Roswitha Goos im Frack und mit Melone auf dem Kopf.

«Mitte.» Als „Dame im Frack“ ist Chansonnette Roswitha Goos am Donnerstag im Johannes-Ronge-Haus aufgetreten. Zusammen mit Pianistin Stefanie Titus gab sie Chansons und Couplets der 20er bis 50er Jahre zum Besten und führte dabei durch die Geschichte der Frauen – mal lustig, mal sehnsüchtig, mal nachdenklich. Die Veranstaltung gehörte zum Programm des Kultursommers.

Die Temperatur entwickelt sich rasch zum Running Gag des Abends, denn die stets wechselnden Hüte der Sängerin sind bei dem schwül-heißen Wetter am Donnerstag nicht gerade angenehm zu tragen. „Ist das schön, wie sie alle fächern, das sieht aus wie Schmetterlinge“, stellt Rosi Goos gleich zu Beginn fest. Mit Frack und Zylinder erteilt sie dann Ratschläge aus männlicher Sicht. Dazu gehört das Schwärmen von den Frauen, aber auch das heimliche Verfluchen der Herzensdame. Zur Verdeutlichung führt Goos humorvoll durch Otto Reutters „Blusenkauf“, bei dem eine Frau ihrem Mann erst zur Qual und dann zum Verhängnis wird. Die Namen von Kabarettist Friedrich Hollaender, Volkssängerin Claire Waldoff und Komponist Hugo Wiener finden sich im Programm des Abends wieder. Mal lustig, mal sehnsüchtig, mal nachdenklich sind die Couplets rund um die Damenwelt. Zwischendurch verlesen Goos und Titus Wissenswertes aus der Geschichte der Frauenwelt, kleine Gedichte und Anekdoten. Die freundlichen Kabbeleien zwischen Sängerin und Pianistin lassen die Erzählungen noch lebhafter werden. Die 25 Besucher werden mit auf eine Reise in Zeiten genommen, als Heiraten noch als wichtiges Ziel einer Frau im Bürgertum galt. 1835 durften die ersten Frauen als Kindergärtnerinnen arbeiten – aber nicht ohne Erlaubnis ihres Mannes oder Vaters. Viele mussten arbeiten, weil das Geld nicht reichte, einige prostituierten sich aus Verzweiflung. Von ungleicher Bezahlung bis hin zu einfachen Jobs wie dem der Telefonistin spinnt sich die Geschichte, die den Hintergrund der meist tiefgründigen Stücke bildet. Auch Schönheitsoperationen werden thematisiert. Zu „Oh Donna Clara“ verteilt Goos Rosen im Publikum. Eine Dame wird zum Tango gebeten und entwickelt prompt Führungsqualitäten. „Jetzt führ ich“, setzt sich die Chansonnette schließlich durch. Die fünf Männer im Publikum lachen noch, doch auch sie sind später an der Reihe. Vor der Pause geistert Goos als Nachtgespenst durch die Ränge, bevor sie sich in der zweiten Hälfte des Programms von ihrer weiblichen Seite zeigen kann – in den dazu passenden Accessoires. Ein Clou des Programms ist nämlich, dass Goos je nach verkörperter Rolle Stolas und Kopfbedeckungen auswechselt. Viele ihrer Hüte sind Originale, berichtet sie. 350 Stück hat sie daheim im Keller, der extra dafür als Hutgeschoss ausgebaut wurde. Als Frau umgarnt Goos nach der Pause die Männer im Publikum. Obwohl die bei dem Programm eher im Hintergrund stehen, wird jeder persönlich geherzt und begrüßt. Doch die Herren der Schöpfung haben eine erstaunliche Resistenz gegen Goos’ Charme. „Das ist mir noch nie passiert, bisher sind die Männer ihren Brillen gefolgt“, zeigt sich die Chansonnette erstaunt, als sie mit ihrer Beute auf der Bühne steht, aber der beraubte Mann keine Anstalten macht, aufzustehen. Dem Tango kann er am Ende aber doch nicht entfliehen, denn die Dame fordert auf. Es geht nun um die Befreiung der Frau, die auch modisch durch den Bikini, der im Lied „Itzy Bitzy“ erwähnt wird, ausgedrückt wird. Otto Reutters Vorhersage aus den 20ern über „Die Frauen in 100 Jahren“ gibt einen Ausblick, wie es um das starke Geschlecht bestellt sein wird, wenn die Frauen die Macht übernehmen. Der Knef-Klassiker „Rote Rosen“ ist die begeistert eingeforderte Zugabe des kurzweiligen Abends. Der musikalische Abend gehört zu fünf Veranstaltungen, die die freireligiöse Gemeinde im Kultursommer ausrichtet. Den Schlusspunkt des Programms bildet am morgigen Donnerstag eine Radtour unter dem Motto „Auf dem Weg zu Erinnerungsorten und Industriekultur“ mit Marlene Siegel. Der Treffpunkt ist am Rudolph-Hoffmann Platz um 16 Uhr.

x