Ludwigshafen Veteranen begeistern mit Spielfreude

Focus gehört zu den Bands, die man nach einem Takt erkennt. Sound und Stil der niederländischen Progressive Rock-Band sind unverwechselbar. Thijs van Leer, Gründer und Kopf der Formation, hat die Band im Jahr 2001 wieder gegründet. In der Alten Seilerei gab es einige Klassiker, aber auch Material vom 2012 erschienenen Studioalbum „Focus X“.

Der Sound hat sich nicht verändert: Thijs van Leer drückt die Tasten seiner Hammondorgel, als hätte es Synthesizer und digitale Keyboards nie gegeben. Für eine besondere Sololinie bläst er mal in eine Melodica, ansonsten spielt er noch Querflöte und singt – beides äußerst virtuos. Selbst der legendäre Jodler in „Hocus Pocus“ gelingt dem 66-Jährigen noch. Nur einen modernen Effekt gönnt er sich: Um seinen Gesang wie gelegentlich wie einen ganzen Chor klingen zu lassen, setzt er einen modernen Sound-Prozessor ein. So begann auch das Konzert mit van Leers Gesang, der mit Effektgerät nach Kirchenchor, Klassik und längst vergangenen Zeiten klang. Der Rest der Band, bestehend aus Gitarre, Bass und Schlagzeug, setzte ein und sofort machte es beim Hörer „klick“: Focus klingt wie Focus und eigentlich hört man kaum einen Unterschied zum Album „Live at the Rainbow“ aus dem Jahr 1973. Bemerkenswert ist die Spielfreude. Mit dabei aus alten Tagen ist Pierre van der Linden am Schlagzeug. Der ist jetzt auch schon 68 Jahre alt, aber trommelt immer noch wie ein junger Gott. Selbst am Ende des Konzerts langte er noch einmal richtig hin und lieferte ein unglaubliches Schlagzeugsolo, bei dem keine Sekunde die Spannung nachließ. Überhaupt wurde an diesem Abend viel improvisiert. Jeder Musiker bekam nicht nur im Rahmen eines Stückes sein Solo, es durfte auch jeder ganz frei und ganz alleine spielen. Bassist Bobby Jacobs nutzte die Gelegenheit und ließ es so richtig krachen. Sein Bass brüllte angezerrt und mit Wah-Effekt. Während der Stücke hatte er eine tragende Rolle, da klang er weniger brutal, aber doch markant. Jacobs ist eine Generation jünger, er ist van Leers Stiefson und ist sozusagen in die Band hineingewachsen. Typisch für Focus sind die ausgefuchsten Arrangements und die großen Formen der Stücke. Tatsächlich kann man oft klassische Abläufe feststellen: Thema, Ausführung, Gegenthema, Reprise. Ebenso gibt es mehrsätzige Suiten. Hier macht sich die klassische Ausbildung van Leers bemerkbar, der an den Konservatorien in Amsterdam und Genf Flöte studiert hat. Auch in den harmonischen Strukturen hört man immer wieder klassische Wendungen, wie den verminderten Septakkord als Übergang. Für den Brückenschlag zum Rock ist wesentlich die Gitarre verantwortlich. Gründungsmitglied Jan Akkerman galt zu seiner Zeit bei Focus als einer der besten E-Gitarristen. Nach seinem Ausscheiden stieg der Belgier Philip Catherin ein, auch er ein ganz großes Kaliber. Heute ist Menno Gootjes der Saitenzupfer. Der 40-Jährige spielt seit 20 Jahren mit van Leer in verschiedenen Projekten. Er hat die besonderen Merkmale des Akkerman-Stils übernommen: Oft blendete er die Töne mit dem Volumenregler ein, was besonders bei seinem großen Solo die Gitarre nach Cello klingen ließ. Auch das Ziehen und Nachlassen der Saiten ist typisch für Focus-Melodien. Gootjes pflegt einen Retro-Sound. Nur mit seiner Les Paul und einem weich zerrenden Verstärker bestritt er fast das ganze Konzert.

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