Ludwigshafen Immer Ärger mit dem schlecht frisierten Mann

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Januar

Beim Neujahrsempfang am 11. Januar im Pfalzbau bereitet die Bäckerinnung der scheidenden Oberbürgermeisterin mit Blick auf ihr anbrechendes Abschiedsjahr eine kalorienreiche Freude: Von den zuckersüßen Stückchen am Büffet strahlt dieses Mal nicht das ungeliebte Grinselogo, sondern das Konterfei Eva Lohses. Die Marzipanteilchen sind auch als vorgezogenes Geburtstaggeschenk gedacht, denn am 23. Januar wird das Stadtoberhaupt 61. Peter Uebel wird schlecht, als er in eines der Häppchen beißt. Dem CDU-OB-Kandidaten hat der frisch nominierte AfD-Bewerber gerade hinterrücks ins Ohr geflüstert: „Gemeinsam werden wir die Jutta schon verhindern.“ SPD-Spitzenfrau Steinruck beißt aus Frust in ihre Ankerkette. Als Überraschungsgäste treten die Comeback-Weltmeister auf: Die drei Brados. „Niemals geht man so ganz“, schmettern sie Lohse voller Inbrunst entgegen. „Irgendwas von dir bleibt hier.“ Was das sein wird, verrät die gerührte OB nicht. Doch erste Gerüchte über ihre berufliche Zukunft machen die Runde. Nein, Moderatorin bei Rockland Radio werde sie nicht, weist sie derlei in sozialen Netzwerken kursierende Meldungen zurück. Der Sender bezieht mit der Tourist-Info neue Räume am Berliner Platz. Seinen Ortstermin an der maroden Hochstraße Nord kommentiert der Mainzer Verkehrsminister Volker Wissing mit Verweis auf den Landesanteil an den Abrisskosten später so: „Mehr als 18 Prozent kann ich als FDP-Mann generell nicht befürworten.“ Februar Paukenschlag am 13. Februar bei der Stadtratssitzung: Die Grünen bringen eine Online-Petition gegen den Bau des „Metropol“-Geschäftshauses am Berliner Platz ein – und legen pikante Dokumente vor, denen zufolge der bisherige Investor wegen des wachsenden Protests gegen das an seiner Spitze 67 Meter hoch geplante Haus abspringen will. Angeblich hat ein Milliardär aus den USA mit besten politischen Beziehungen sein Interesse bekundet. Peter Uebel wird schon wieder schlecht. Erst recht, als er hört, dass die Grünen zudem erfahren haben wollen, dass der ominöse Finanzhai doppelt so hoch hinaus will wie der Vorgänger. Sein Slogan kommt vielen bekannt vor: „Make Ludwigshafen great again.“ Bei Rainer Metz von der FWG rattert’s im Oberstübchen: „Wäre in dem Wolkenkratzer womöglich auch Platz für ein Kombibad?“ Doch aus dem Dossier geht nur hervor, dass der AfD zwölf Etagen für eine neue Geschäftsstelle kostenlos zur Verfügung gestellt werden sollen – direkt über einem russischen Feinschmeckerlokal. Ein Raunen geht durch den Saal. Ludwigshafener Abordnungen greifen das brisante Thema beim Großen Fanachtsumzug am 26. Februar in Mannheim auf. Ihr Motto: „Metropol, oh Metropol: Die Pläne sind hochtrabend, das Konzept ist hochgradig hohl.“ Tätää. März Was längst durchgesickert ist, bestätigen die Fox News in New York und beziehen sich dabei auf eine Twitter-Nachricht eines schlecht frisierten älteren Mannes, der seit 20. Januar im Weißen Haus wohnt. Es ist wahr: Der nächste Trump-Tower soll in Ludwigshafen in den Himmel wachsen. Dukaten-Donald lässt ferner wissen, dass er seine Architekten mit der Air Force One einfliegen will und sie in Kallstadt ihr Quartier aufschlagen sollen. Um den Berliner Platz will er eine Mauer errichten. Dem Stadtvorstand will er ein Angebot machen, das er nicht ablehnen kann – und ein Handgeld von 1,4 Milliarden Euro überweisen. Kämmerer Dieter Feid (SPD) kommt ins Grübeln. Er telefoniert mit Eva Lohse. Die überlegt kurz. Schuldenfrei in den Ruhestand? Das wär’s doch. Sie schickt Peter Uebel eine SMS. Dem wird schlecht. Auch weil vor dem Haus der Gesundheit in der Gartenstadt seine Patienten demonstrieren, die ihn nicht ziehen lassen möchten. Sie haben Die Drei Brados engagiert, die auch Peter Maffay draufhaben. „Und wenn du ins Rathaus gehst, dann wählt dich nur ein Teil von hier“, singen sie. Der rezeptfreie Refrain wird mit dem Patientenchor angestimmt: „Uns behandelst nur Du, Du, nur Du …“ Dem Mediziner geht das ans Herz. Steinruck lässt sich seit Wochen von den Dentalexperten der Street Docs verarzten. Beim Biss in die Ankerkette ist ihr ein Zacken aus der Krone gebrochen. April Trump erhöht den Druck. Er will auch die Kosten des Hochstraßenabrisses übernehmen, eine dritte Rheinbrücke bei Altrip bauen sowie eine Schnellbahntrasse nach Kallstadt. Der AfD-Bewerber hat sein Wahlkampfthema gefunden. Die Bundeskanzlerin schaltet sich ein und meldet sich bei Städtetagspräsidentin Lohse. „Ich raute, äh rate dir, lass dich von dem Donald nicht über den Tisch ziehen.“ Der Stadtrat trifft sich zu einer Sondersitzung. Unter dem Druck der Alfa-Fraktion, die sich in WLUVEDNDSV („Wir lassen uns von einem Demagogen nicht die Stadt versauen“) umbenannt hat, verabschiedet er einen Masterplan für noch mehr Sparsamkeit. Dem fallen die im Dezember abgesegneten Masterpläne für mehr Sauberkeit und mehr Grün zum Opfer. Die Straßenreinigung wird eingestellt, der Ebertpark geschlossen, der Stadtvorstand von fünf auf drei Köpfe verkleinert. Nach dem Motto: Was die Sparkasse kann, können wir schon lange. „Das kann doch nur ein Aprilscherz sein.“ Bei so viel „Schützenhilfe“ wird Peter Uebel spei.... – Sie wissen schon. Steinruck packt den sozialen Hammer aus: Angesichts der drastischen Einschnitte stellt sie das am 21. Juni beginnende Filmfestival infrage. Dessen Direktor Michael Kötz heult sich bei Mario Adorf aus. Trumps letzter verzweifelter Versuch der Einflussnahme: Er verspricht, Hollywoodstars wie Clint Eastwood nach Germany zu lotsen, und das vom Kinoereignis stark ramponierte Areal persönlich mit Kunstrasen zu ersetzen. Da hört der Spaß für Ortsvorsteher Christoph Heller (CDU) auf. In seiner unnachahmlichen Art sagt er: „Nochher sieht die Fläch aus wie e dotes Eichhörnche.“ Mai Trump verwirft seine Pläne. Mit Heller möchte er sich dann doch nicht anlegen. Der schlägt ihm – raffiniert wie er nun mal ist – die Übernahme des Walzmühl-Centers vor. Doch dem Ami hat die CIA längst gesteckt, was viele Ludwigshafener erst aus der RHEINPFALZ erfahren. Die Walzmühle wird das neue Quartier fürs Polizeipräsidium. Nah am Zentrum, viele Parkplätze, intakte Aufzüge und jede Menge Kinosäle für den Spätdienst. Einige davon lassen sich problemlos in Zellen umbauen. Diese Argumente überzeugen das Innenministerium. Vor der Rhein-Galerie wird das Winterdorf eröffnet. Die Munnemer Göckel fragen im Weißen Haus vorsichtig an, ob Trump Lust hat, der nächste Dr. Humoris Causa zu werden. Die haarige Narrenkappe trägt er ja im Prinzip schon Jahre zur Schau. „Humoris what?“ twittert der US-Präsident zurück. Der Deal platzt. Juni Aus allen Nähten platzt der Stadtpark beim Filmfestival. Zu den Promis zählt auch Alexander Dobrindt. Der Bundesverkehrsminister hat den Hochstraßen-Ortstermin mit Lohse geschwänzt und beobachtet interessiert, wie gut die vom Stadtrat im Zuge des Masterplans für mehr Sparsamkeit erhobene Parkinsel-Maut funktioniert. Damit, schlägt der CSU-Mann dem rheinland-pfälzischen FDP-Kollegen Wissing vor, ließe sich doch der Hochstraßenabriss vorfinanzieren. Der klärt ihn auf, dass das Geld bereits verplant ist: für den Berliner Platz, wo kein Hochhaus mehr entstehen, sondern ein Kunstrasen verlegt werden soll. Die Stadt hat ein günstiges Angebot aus den USA erhalten. Beim Dämmermarathon, der bereits am 4. Juni über die Bühne geht, sind auch die OB-Kandidaten Uebel und Steinruck am Start. Langstreckenläufer Dieter Feid trainiert die Genossin. Für Uebels Fitness wird der frühere Stadtrat Christian Beilmann, das Laufwunder aus Süd, aus dem fernen Berlin engagiert. Die Genossin und der Christdemokrat liefern sich ein Duell auf Augenhöhe. Als sie der AfD-Bewerber rechts überholt, legen beide einen Zahn zu und überqueren zeitgleich die Ziellinie. Uebel ist vor lauter Anstrengung schlecht, Steinruck tun immer noch die Hauer weh. Wehmütig eröffnet Lohse am 23. Juni ihr letztes Stadtfest als OB. Die Drei Brados schnulzen in feinster Flippers-Manier: „Weine nicht, kleine Eva.“ Juli Am 9. Juli verkündet Michael Kötz beim Finale des Filmfestivals den nächsten Besucherrekord: 150.000 Cineasten strömen ans Rheinufer. Erstmals war mitten auf dem Fluss eine Leinwand aufgebaut worden: für die Kreuzfahrtschiffe, die neuerdings an der Rhein-Galerie anlegen und deren Passagiere nun von ihrer Kabine aus mit dem Fernglas zuschauen können. Die Parkinsel-Maut spült unfassbar hohe Einnahmen in die Stadtkasse. Kämmerer Feid ist happy. Bund und Land rücken daraufhin vom Versprechen ab, sich an den Kosten für den Hochstraßenabriss zu beteiligen. Vor der Bundestagswahl im September werden alle Verhandlungen abgeblockt. Steinruck und Uebel setzen als Reaktion darauf den Wahlkampf aus. Die AfD jubelt. WLUVEDNDSV, vormals Alfa, benennt sich abermals um, in: SURSDHT („Schwarz und Rot sind der Hochstraße Tod“). Als Notmaßnahme beschließt der Stadtrat in der nächsten Sondersitzung, die Trasse für den Verkehr zu sperren. Wegen des Masterplans für noch mehr Sparsamkeit ist inzwischen auch das Willersinn-Freibad dicht. Das Bliesbad leiht sich die Riesenrutsche aus. „Ludwigshafen spielt“ wird abgesagt. Wie der Erlebnistag im Wildpark. August Nur noch wenige Wochen bis zur OB-Wahl. Die Spannung steigt. Es zeichnet sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Steinruck und Uebel ab. Beide beenden ihre Protest-Pause, heuern die Die Drei Brados an und fahren im Koalitions-Konvoi nach Mainz und Berlin. „Wer soll das bezahlen“, singen ihre musikalischen Begleiter sowohl vor dem Landes- als auch vor dem Bundesparlament. Angesichts des zähen Wahlkampfs geht Steinruck auf dem Zahnfleisch. Uebel wird schlecht bei dem Gedanken daran, dass seine geliebten Patienten seit Monaten tagein, tagaus vorm Haus der Gesundheit demonstrieren. Und immer wieder diese Störfeuer aus Washington. Über dubiose Kanäle fließen einige Milliönchen in die AfD-Schatulle. Und dann das noch: Der nächste Laden im Rathaus-Center schließt. Betreiber ECE stößt das Einkaufszentrum endgültig ab. Wieder meldet sich ein Kaufinteressent aus Übersee. „Vorher übernehme ich das Center-Management selbst“, poltert Lohse. Eine Podiumsdiskussion zur OB-Wahl wird abgesagt, weil es in die Schulturnhalle hineinregnet. September Der Monat der Wahrheit für die OB-Kandidaten. Alle versprechen, bei einem Sieg den Masterplan für noch mehr Sparsamkeit aufzukündigen. In den Hinterzimmern wird eine kühne Idee geboren: Ludwigshafen verkauft seinen Revoluzzer-Stadtteil Ruchheim an den Rhein-Pfalz-Kreis. Das passt in die Überlegungen des im März wiedergewählten Landrats Clemens Körner (CDU), der seine Pläne einer umfassenden Gebietsreform weiter vorantreibt. Die Mehrheit des Stadtrats stimmt dem bundesweit einmaligen Vorhaben zu. Dank der Ablösesumme landet der Masterplan für noch mehr Sparsamkeit in der Mülltonne. Stolz verkündet Lohse den Coup. Für dessen Abwicklung muss die OB-Wahl auf 2018 verschoben werden. Die amtierende OB bleibt noch etwas länger im Amt. Das Willersinn-Freibad öffnet wieder. Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit wird Sozialdezernent Wolfgang van Vliet (SPD) unter dem Protest der Opposition zum Chef der Wohnungsbaugesellschaft GAG gewählt. Er wird Ernst Merkel (CDU) zum Jahresende ablösen – und kündigt bezahlbare Wohnungen am Rheinufer Süd an. „Nicht übel“, kommentiert das Steinruck. Oktober Der Müll verschwindet aus der Stadt. Die Straßenreinigung ist wieder unterwegs. Der Ebertpark öffnet. Die Drei Brados werden als Hauskapelle für den Stadtrat engagiert und unterhalten die Politiker in den Sitzungspausen, die seltsamerweise immer kürzer werden. Holger Scharff übernimmt sein 79. Ehrenamt und wird Sprecher der Elterngruppe gegen Löcher in den Dächern der Schulsporthallen. Die Initiative gegen die Sperrung der Hochstraße hat auch schon bei ihm angefragt. In den USA hat man den Stadtteilverkauf mit großem Interesse beobachtet. Trump liebäugelt damit, seinem Kumpel Putin Alaska zu veräußern, um das Milliardenloch im Haushalt zu stopfen, das durch den Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko entstehen wird. November Der Weihnachtsmarkt eröffnet. Dort verabreden sich Eva Lohse, Alexander Dobrindt, der in Berlin weiter Minister in einer großen Koalition ist, und Volker Wissing zu einem geheimen Glühwein-Treffen. Die OB beschwört die Herren, die gemeinsame Finanzierung des Hochstraßenabrisses unter Dach und Fach zu bringen. Weitgehend unbeobachtet bleiben sie, weil Die Drei Brados die Besucher mit Liedern aus ihrem neuen Best Of-Album entzücken. Peter Uebel, der dennoch von dem Termin erfahren hat, versteckt sich hinter einem Zuckerwattestand. Von dem Geruch wird ihm schlecht. Jutta Steinruck, die ebenfalls gut informiert in Lauerstellung ist, beißt vor lauter Aufregung mit ihrem frisch behandelten Gebiss auf eine gebrannte Mandel. Beide hören nicht alles, weil Die Drei Brados den Platz beschallen. Sie bekommen aber mit, dass sich Lohse, Dobrindt und Wissing am Ende einigen. Als die Kandidaten die OB nach dem Gespräch zur Rede stellen, verweist sie die Rivalen auf die nächste Stadtratssitzung. Dezember In der letzten Sitzung des Jahres lässt der Stadtrat das spektakulär verlaufene Jahr zunächst noch einmal Revue passieren. FWG-Mann Metz ist etwas zerknirscht, weil sein Traum vom Kombibad zerplatzt ist. Die Trauer, Ruchheim verloren zu haben, hält sich indes in Grenzen. Zu lukrativ war das Geschäft. Dann berichtet Lohse von der Begegnung mit den Ministern. Und davon, dass der Hochstraßenabriss jetzt doch noch unerwartet abgewickelt werden kann. Der Deal: Die Trasse wird privatisiert, sprich: Bund, Land und Stadt müssen keinen Cent beisteuern. Es gibt da einen Mäzen, der seine Investition durch den Verkauf von Transitplaketten wieder hereinholen will. Der Mann, den sie nicht kenne, sagt Lohse, sitze sogar auf der Zuhörerbank. Als sich alle umdrehen, sehen sie nur noch den Schatten einer Gestalt, die den Ratssaal mit schallendem Gelächter verlässt. Leute, die den Mann im Foyer gesehen haben, behaupten, er sei schon älter und unglaublich schlecht frisiert …

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