Ludwigshafen Im Reich der Superabsorber

10.30 Uhr Ortstermin – und es ist kein gewöhnlicher. Wer daran noch Zweifel hatte, wird spätestens dann eines Besseren belehrt, wenn er den BASF-Konferenzsaal betritt. Der sieht mit langen Tischreihen, schnieken Stühlen in Schwarz und Chrom, gleichförmig grauen Wänden und einer riesigen Präsentationsleinwand ziemlich beeindruckend aus. Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs. Viel verstörender sind die in schwarze Kostüme und Anzüge gekleideten Damen und Herren, die den Saal bevölkern. Da kommt sofort die Frage auf: Kann man sich hier in Jeans überhaupt gefahrlos rein trauen? Oder droht der sofortige Ausschluss? Glücklicherweise ist bereits einiges los: Fotografen haben sich um das Podium vor der Leinwand geschart und lichten das Führungstrio aus BASF-Vorstandsvorsitzendem Kurt Bock, Finanzvorstand Hans-Ulrich Engel und Kommunikationschefin Elisabeth Schick ab. Außerdem wandern Kameramänner umher und ermöglichen es auch Journalisten, die keine Ahnung von Dresscodes haben, fast unbemerkt bis in die letzte Reihe des Raums vorzustoßen, sich hinter einen der Tische zu mogeln und den Arbeitsplatz für die nächsten zwei Stunden zu begutachten. Kugelschreiber, Block, ein BASF-Playmobilmännchen und eine zum Jubiläum passende 150 aus Schokolade stehen schon parat. Und dann sind da noch ein paar elektronische Geräte von schleierhafter Funktion. Um 10.29 Uhr erhebt sich Schick glücklicherweise, um eben jene zu erklären: Das Display muss mit einer vom Unternehmen bereitgestellten Chipkarte gefüttert werden, dann können sich die anwesenden Journalisten aus aller Herren Länder mit einem Tastendruck in die Reihe der Fragensteller eingliedern. Das Teil, das aussieht wie ein Diktiergerät, dient als Dolmetscher. In einer Kammer, die an den Konferenzsaal angrenzt, sitzen zwei nette Damen, die simultan übersetzen – ins Englische auf Kanal null, ins Deutsche auf der eins. Für die alten Hasen in Schwarz ist das das normale Tagesgeschäft, der Feld-Wald-Wiesen-Reporter in Blau muss so ein Spielzeug aber natürlich sofort austesten – und zack wird die Jahresbilanz von Bock durch englische Erläuterungen überlagert. Die haben mal einen britischen, mal einen amerikanischen Akzent und hinken dem Geschehen ab und an ein wenig hinterher. Das führt zu zwei oder drei Knoten im Hirn, ist aber trotzdem lustig. Es geht um den starken Euro und den hohen Rohölpreis, die Anfang 2014 Probleme machten, um die Entwicklung der BASF-Aktie, um Produktionsstätten in China und Südamerika, Öl und Gas aus Norwegen – und dann auch um die Innovationen der BASF. Bock hat zu Beginn seiner Rede einen „chemischen Großversuch“ angekündigt, mit dem er die Leistungskraft des neuen Superabsorbers Saviva demonstrieren will. Den setzt er jetzt um, indem er Saviva-Perlen und die eines bisher verwendeten Absorbers auf blaues Wasser gibt und den Dingen ihren Lauf lässt. Vor den Augen des staunenden Publikums saugt sich Saviva voll, schwillt an und wird durchgehend blau, während das alte Produkt etwas traurig vor sich hin stümpert. „Das ist das Ergebnis von zehn Jahren Forschungsarbeit“, sagt Bock nicht ohne Stolz. Künftig soll Saviva in Windeln zum Einsatz kommen und Babypopos trocken halten. Auf dem Podium ist jetzt aber erst mal Finanzchef Engel dran. Er rechnet Zahlen vor, dass dem Laien Hören und Sehen vergeht. Die Milliarden und Millionen schwirren nur so durch den Saal, es ist von Cashflow, Ebit und Sondereinflüssen die Rede und irgendwie wohl auch davon, dass das vergangene Jahr für die BASF an sich ein ganz zufriedenstellendes war. Nach dem Abschluss von Engels Vortrag erhebt sich Schick noch einmal und fordert die Journalisten auf, Fragen zu stellen – verbunden mit der Bitte um höchstens zwei pro Person. Die wird aber allenthalben geflissentlich ignoriert. Aus ganz Deutschland, aus Frankreich, Russland und Japan wird nachgehakt, vom Handelsblatt, der Börsenzeitung, RHEINPFALZ, AFP, Chemical Week, Icis und Nikkei. Und während die Dolmetscherinnen jetzt auch Kanal eins bedienen – mit deutschen Übersetzungen eben –, macht die Frau in Blau auf ihrem Platz in der letzten Reihe aus der Schoko-150 mal eben eine Schoko-50. Trotz der Flut an Fragen schaffen es Bock, Engel und Schick, die Konferenz um 12.03 Uhr zu schließen und laden noch zu einem „kleinen Imbiss“ ins Foyer ein. Dessen Ausmaße sind etwa genauso verstörend wie die Anzüge. Es gibt provenzalisches Kartoffelgratin, Gnocchi auf Blattspinat und Seeteufel-Medaillons. Unter Imbiss läuft so was ja landläufig eher nicht. Spätestens beim Anblick der Nachspeisen ist das aber egal und es macht sich stille Glückseligkeit breit. Panna Cotta mit Erdbeeren, Eis, Früchte, Kunstwerke aus Zucker. Beim nächsten Mal vielleicht doch auch in Schwarz? Dann darf man sich sicher ungeniert ganz vorn anstellen.

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