Ludwigshafen An einem Februartag in Sarajevo

In der Stadtredaktion der Ludwigshafener Rundschau hat jeder Redakteur einige Themen, um die er sich besonders intensiv kümmert. Meine Kollegin Nicole Heß zum Beispiel um die Wirtschaft oder unser stellvertretender Redaktionsleiter Michael Schmid um die Stadtpolitik und Skandale am Ludwigshafener Klinikum. Als passionierte Schwimmerin bin ich unter anderem auf die örtlichen Bäder spezialisiert. Leider ist diese Landschaft ziemlich überschaubar. Außerdem habe ich die Bildung, sprich die Schulen, besonders im Blick. Und da hat Ludwigshafen sehr viel zu bieten. Das bedeutet nicht nur, dass ich regelmäßig über Neuigkeiten aus den über 50 Schulen der Stadt berichte. Ich bin auch des Öfteren in Schulen zu Gast und erzähle Jugendlichen etwas über meinen Berufsalltag und darüber, was und wie viele Menschen es braucht, damit Tag für Tag eine Zeitung mit vielen Nachrichten, Reportagen, Interviews, Kommentaren und Fotos entstehen kann. Natürlich bekommt das auch mein guter Sohn zu Hause von Zeit zu Zeit zu hören. Wenn er mir mal wieder verklickert, wie großartig das Internet ist und dass es dort die für ihn wichtigsten Neuigkeiten kostenlos gibt. Und dass die Menschen, die diese Informationen ins Netz stellen, selbstverständlich von Luft und Liebe leben. Die Gespräche mit den Schulklassen sind für mich immer wieder sehr spannend. Weil ich dabei herausfinden kann, für welche lokalen Themen sich Jugendliche interessieren und was ihnen an der Zeitung besonders gut oder gar nicht gefällt. Umgekehrt interessieren sich die Mädchen und Jungen häufig sehr für die Höhepunkte der journalistischen Arbeit, also für Begegnungen und Gespräche mit Politikern, Musikern oder Schauspielern. Und vor allem für eine Dienstreise, die mich Mitte der 90er-Jahre in das damals vom Bosnienkrieg zerstörte Sarajevo geführt hat. Seinerzeit absolvierte ich im Zuge meines Volontariats eine Station in der RHEINPFALZ-Politik-Redaktion. Und machte mir im Unterschied zu meiner Familie und den meisten Kollegen keine Gedanken über die Gefahren, die in der einstigen jugoslawischen Hauptstadt auch kurz nach einem Friedensabkommen immer noch in Gestalt von Heckenschützen und Bombenlegern hinter vielen Ecken lauerten. Als ich dann jedoch an einem kalten Tag im Februar mit einer Gruppe von Journalisten in einem Reisebus durch das zerstörte Land fuhr und schließlich in einem Hotelzimmer ohne Fensterscheiben und mit jeder Menge Einschusslöchern im Badezimmer landete, wurde mir zum ersten Mal klar, was Krieg für ein Land und seine Menschen bedeutet. Ich habe viel gelernt in diesen wenigen Tagen in Sarajevo. Vor allem, dass ich nicht ständig aus Krisen- oder Kriegsgebieten berichten will. Wo gute Söhne anderer Mütter erschossen oder bei lebendigem Leib verbrannt und Töchter zu Hunderten aus einer Schule verschleppt werden, weil sie dort lernen wollen. Sondern dass ich lieber aus der Stadt berichte, in der ich lebe. Von Schulen, die sich gegen Rassismus und Diskriminierung engagieren. Oder von sanierungsbedürftigen Bädern. Und meinen kleinen Beitrag dazu leiste, dass es hier keinen Krieg mehr gibt. Nach bald 20 Jahren würde ich trotzdem gern noch einmal nach Sarajevo reisen, um die Stadt in nun friedlichen Zeiten erneut zu erleben. Und dann den Ludwigshafener Schülern davon erzählen, wie schön der Frieden hier und dort ist.

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