Ludwigshafen Ludwigshafen: RNV setzt ab Januar drei alte Straßenbahnen ein

Schön nostalgisch sehen die alten Bahnen aus. Bis zu ihrem Einsatz sollen sie noch umlackiert werden.
Schön nostalgisch sehen die alten Bahnen aus. Bis zu ihrem Einsatz sollen sie noch umlackiert werden. Foto: KUNZ

Seit die Pilzhochstraße gesperrt ist, fahren mehr Menschen Straßenbahn. Weil es noch dauert, bis neue Fahrzeuge geliefert werden, setzt die Rhein-Neckar-Verkehr GmbH (RNV) nun zusätzlich auf alte Bahnen. Gesteuert werden sie mit Kurbeltechnik. Und die zu bedienen, ist gar nicht so einfach.

Und noch eine Vollbremsung. Es ist nicht die erste für das alte Gefährt am heutigen Tag. Doch die historische Straßenbahn, Anfang der 1960er gebaut, nimmt’s stoisch hin. Der Fahrer auch. Schließlich muss der Ernstfall geprobt werden, immer und immer wieder. Mit fünf Fahrschülern ist Thomas Gebhart an diesem Vormittag zwischen dem Betriebshof der RNV und der Endstelle Rheingönheim unterwegs. Die Strecke abzufahren, dauert nur wenige Minuten. Doch sie ist gut geeignet, damit Straßenbahnfahrer Gebhart seinen Kollegen beibringen kann, wie man alte Kurbelfahrzeuge bedient. Normalerweise verkehrt hier die Linie 6. Hochstraßenbedingt macht sie das derzeit nicht. Der Streckenabschnitt ist also ungenutzt.

Alte Bahnen für höhere Taktung

Gebhart arbeitet seit 1989 bei den Verkehrsbetrieben. „Damals hatten wir gar keine anderen Wagen“, berichtet er. Heute ist die RNV mit Niederflurfahrzeugen unterwegs, während man in die alten Bahnen noch etwas umständlich über hohe Treppenstufen einsteigen muss. Seit 2010 warten Letztere betriebsfähig im Depot, werden nur hin und wieder mal eingesetzt wenn irgendwo sozusagen Not am Zug ist. Nun sollen sie den aktuellen Fahrplan auffüllen und für Entlastung in anderen, sehr vollen Bahnen sorgen. Schon Anfang November hatte die RNV angekündigt, mehr und alte Straßenbahnen auf die Schiene nehmen zu wollen. Der Grund: Durch die gesperrte Hochstraße Süd habe die Anzahl der Fahrgäste um etwa zehn Prozent zugenommen. Und bis die neuen Fahrzeuge der Rhein-Neckar-Tram da sind, dauert es noch. 80 Bahnen wurden für etwa 250 Millionen Euro bei Skoda in Tschechien bestellt. Am 22. November kam dann die nächste Hiobsbotschaft. Seitdem sind auch die Durchgänge Mundenheimer und Berliner Straße unter der Pilzhochstraße gesperrt, was große Auswirkungen auf die Stadtbahnlinien hat. Schnell erarbeitete die RNV einen Notfallfahrplan.

Ab 7. Januar im Einsatz

Daran, dass alte Kurbel-Straßenbahnen eingesetzt werden sollen, hat sich dadurch nichts geändert. Ab dem 7. Januar sollen drei Altfahrzeuge in der Hauptverkehrszeit eingesetzt werden, wie RNV-Sprecherin Victoria Pfaff sagt. Doch das nun teils auf anderen Linien. Die zusätzlichen Bahnen werden laut Pfaff „vorläufig auf der Linie 7 zwischen Oppau und Ebertpark eingesetzt, sodass sich ein annähernder Sieben-Minuten-Takt ergibt“. Sollte die Stadtbahnstrecke über die Konrad-Adenauer-Brücke irgendwann wieder befahrbar sein, soll auch die Linie 6 in der Hauptverkehrszeit verstärkt werden, so der Plan. Die Bahnen werden wohl etwa drei Jahre im Einsatz sein – bis die neuen Fahrzeuge da sind. Erst dann könne entschieden werden, ob die Oldies eventuell sogar noch länger eingesetzt werden sollen – je nach Verkehrssituation. Eine alte Straßenbahn zu steuern, sei „wie Radfahren, das verlernt man nicht“, sagt Gebhart. Deshalb brauchen Kollegen, die schon einmal mit der Kurbeltechnik unterwegs waren, auch nur zwei Tage Auffrischungskurs. Fahrer, für die das Ganze neu ist, unterrichtet Gebhart eine Woche lang. 23 Mitarbeiter habe er in den vergangenen Wochen bereits ausgebildet. Gezwungen, mit einer alten Bahn zu fahren, werde niemand. Aber sehr viele Kollegen hätten sich freiwillig gemeldet, sagt der 51-Jährige.

Mit mehr Gefühl fahren

„Der Wagen macht nichts automatisch“, sagt Gebhart, während „Schüler“ Klaus Graßmück auf dem Fahrerplatz sitzt. Der heute 54-Jährige hat 1997 seine Ausbildung zum Straßenbahnfahrer gemacht und kennt von damals noch die alten Wagen. Sorgsam bedient er mit der linken Hand die Kurbel. „Man braucht mehr Gefühl als bei den neuen Bahnen“, sagt Gebhart. Während dort alles über Knöpfe und einen einzigen Steuerhebel funktioniert, muss bei dem alten Gefährt zunächst mit einer Kurbel das Fahrzeug angeschaltet werden – vergleichbar mit einem Zündschlüssel. Mit einer größeren Kurbel wird dann die Geschwindigkeit reguliert. Drehen nach links beschleunigt, nach rechts bremst. Im Gegensatz zur neuen Bahn schaltet die alte auch nicht schrittweise von einem Gang in dem anderen. Wird zu schnell geschaltet, fliegt schon mal die Sicherung raus.

Neue Sitzpolster, neuer Lack

„Bei diesen Bahnen muss ich sorgfältiger arbeiten“, sagt Graßmück und ergänzt: „Das ist Handarbeit und geht nur mit Übung.“ Trotzdem genießt er es sichtlich, wieder eine solche Bahn zu fahren. „Das ist alt, das ist Nostalgie. Alles, was man hier macht, hat sofort eine Auswirkung“, erklärt er. Das Bremsen sei besonders schwierig, sagt Gebhart. Bei den alten Bahnen passiert eben wirklich nichts automatisch. Damit der Zug steht, müssen neben der Kurbel auch noch zwei Pedale betätigt werden. Eins davon streut Sand auf die Schienen. Auch das ist im modernen Fahrzeug einprogrammiert. Kaum ist das gesagt, zieht ein Kollege hinten im Wagen die Notbremse. „Wenn man draußen eine Vollbremsung machen muss, wird man auch nicht vorgewarnt“, sagt Gebhart lächelnd. Bis die Bahnen im neuen Jahr unterwegs sind, stehen noch ein paar Kleinigkeiten an. Teils sollen Sitzpolster erneuert werden, außerdem werden alle alten Züge von außen neu lackiert. Dann kann es mit der Kurbel auf die Strecke gehen.

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