Landau Herr seiner Entscheidungen

Der 72-jährige Mann, der sich wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes und einer späteren Jugendlichen vor der Großen Strafkammer des Landgerichts verantworten musste, wird hinter Gittern über seine Taten nachdenken müssen. Er wurde gestern zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt. Regungslos nahm der Landauer den Urteilsspruch des Vorsitzenden Richters Urban Ruppert entgegen.

Man könne nicht von verminderter Schuldfähigkeit ausgehen, sagte Ruppert. Der Täter sei in der Lage gewesen, sein Leben zu meistern, eine psychiatrische Erkrankung liege ebenso wenig vor wie schwere Alkoholabhängigkeit. Die pädophile Störung, die zweifellos attestiert werden könne, sei keine „Kernpädophilie“ – der Mann sei demnach Herr seiner Entscheidungen gewesen (wir berichteten). Das Umfeld allerdings habe es ihm leicht gemacht: „Überall hat es rumort, doch niemand ist der Sache ernsthaft nachgegangen.“ Dieses Wegschauen sprach auch Oberstaatsanwältin Angelika Möhlig in ihrem Plädoyer an. „Viele Jahre blieben seine Neigungen unentdeckt. Es gab nur Gerüchte und Vermutungen.“ Erst durch die aktuelle Verhandlung habe sich gezeigt, dass der Missbrauch des Mädchens kein Einzelfall gewesen sei. Die anderen Taten sind mittlerweile verjährt. Dass nun wohl nichts mehr passieren könne, sei der 19-Jährigen zu verdanken, die den Mut zur Anzeige hatte. Der Angeklagte sei planvoll vorgegangen, so die Oberstaatsanwältin, das Unrecht seines Handels sei ihm bewusst gewesen. Doch Reue sei nicht erkennbar, nach wie vor versuche er, dem Opfer eine Mitschuld zuzuschieben. Möhlig beantragte für die mehr als 60 nachgewiesenen Einzeltaten eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten. Das Leid der 19-Jährigen stellte Michael Schinkel, Anwalt der Nebenklägerin, in den Mittelpunkt. „Der Lebensweg eines jungen Menschen ist auf das Nachhaltigste beschädigt worden“, erklärte er und verlangte „eine empfindliche Freiheitsstrafe“. Sein Mandant sei „gefangen in der eigenen Persönlichkeit“, sagte der Verteidiger des Mannes, Rechtsanwalt Ulrich Kempf. „Äußerlich wirkt er wie der ganz normale Bundesbürger, der nicht bei Rot über die Ampel fährt.“ Doch der 72-Jährige sei, obwohl nach einer Operation impotent, „getrieben von seinen Neigungen“. Für den Angeklagten spreche, dass er seine Taten eingeräumt habe. Dass er dabei manches verharmlose, sei ein Merkmal der „Krankheit Pädophilie“. Kempf beantragte eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren, ausgesetzt zur Bewährung und verbunden mit der Auflage, sich in sexualtherapeutische Behandlung zu begeben. Nach der Urteilsverkündung wandte sich der Richter an die junge Frau, die zurzeit nicht weiß, wie ihr Leben – etwa beruflich – weitergehen soll. „Suchen Sie sich therapeutische Hilfe,“ riet er, „Sie können diese Erlebnisse nicht allein aufarbeiten.“ (rire)

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