Kreis Germersheim Diesen Verein braucht das Land

Preis für soziales Engagement und Beharrlichkeit: Heinrich Buschmann (links). Rechts Oliver Roland von der Roland-Stiftung.
Preis für soziales Engagement und Beharrlichkeit: Heinrich Buschmann (links). Rechts Oliver Roland von der Roland-Stiftung.

Es kann zwei Gründe geben, warum Heinrich Buschmann mit einem kurzen Knopfdruck die Sitzfläche seines Rollstuhls nach oben fahren lässt. Entweder, um einem Gesprächspartner auf Augenhöhe zu begegnen. Oder um einem Politiker ins Gesicht sagen zu können, dass er ein Depp sei. Jetzt hat der nimmermüde Kämpfer seiner Organisation Mobil mit Behinderung (MBB) wieder einen Preis entgegennehmen dürfen.

An der kleinen Tafel im Art Café in Jockgrim wird es konkret. „Es kann jeden treffen. Und deshalb muss die Bevölkerung wissen, wie schmal der Grat ist, auf dem wir alle gehen.“ Es ist eine uralte Banalität, auf der Buschmanns Engagement gründet. Von heute auf morgen kann ein Leben aus der Bahn geworfen werden. Es genügt eine im Körper schlummernde Krankheit oder der Zufall, zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen zu sein. Im Orient heißt diese Hilflosigkeit vor den Launen des Lebens Kismet, hierzulande zusammenfassend „da kammer halt nix mache.“ Hauptanliegen von MBB ist, Bewusstsein in der Bevölkerung zu schärfen. Dafür, dass rund die Hälfte der Bundesbürger direkt oder indirekt von Einschränkungen durch Behinderung betroffen ist. Dafür, dass man als gesunder Mensch im Alltag mitdenkt und zum Beispiel nicht einfach so einen Behindertenparkplatz belegt. Dafür, dass in der Sozialgesetzgebung endlich für Behinderte mitgedacht werden muss. Buschmann: „Das muss in die Köpfe rein!“ Er ist selbst Rollstuhlfahrer, die Krankheit kam langsam, aber letztlich gewaltig. Konfrontiert mit den Erschwernissen von Bürokratie und nun für ihn sehr ungemütlicher Lebenswirklichkeit, kam er um die Jahrtausendwende zu dem Beschluss, seine Erfahrungen und Kenntnisse an Mitbetroffene weiterzugeben. Eine Lawine kam ins Rollen. Und das nicht nur regional, sondern deutschlandweit. Heute bewegt der Verein etwa 10 Millionen Euro im Jahr, um Behinderte durch den Verwaltungsdschungel zu führen und Mobilität zu erhalten oder wieder herzustellen. Hieraus entstand 2004 die Stiftung zur Förderung der Inklusion durch Mobilität (IDM). Seine politische Lobbyarbeit fußt allerdings auf Bittstellerei oder dem Fischen nach Mitleid. Der ehemalige Siemens-Angestellte ist intelligent genug, um gerade auch die harten Fakten der Wirtschaft zu kennen und zu nutzen. Eine Wirtschaftsleistung von rund 15 Milliarden Euro werde rund um das Thema Behinderung in Deutschland jährlich bewegt: „Wir kommen gleich nach der Automobilindustrie.“ Auch in Jockgrim ist Buschmann aktiv. Er ist ehrenamtlicher Behindertenbeauftragter. „Ich schätze seinen Biss, aber auch, dass er immer lösungsorientiert vorgeht. Seine Vorschläge haben Hand und Fuß“, sagt Bürgermeister Karl Dieter Wünstel (CDU) mit ehrlicher Bewunderung. Die Preisübergabe vollzieht sich unkompliziert und schlicht. Ausgelobt hat ihn die Mannheimer Ilke-und-Berthold-Roland-Stiftung. Sohn und Geschäftsführer Oliver Roland ist in Jockgrim und überreicht die Urkunde. „In Anerkennung des herausragenden seelsorgerischen und sozialen Engagements“ ist dort als Begründung geschrieben. Roland sagt beinahe demütig: „Diesen Verein braucht Deutschland wirklich. Es ist schön, dass Sie sich nicht zufriedengeben.“ Es sei unvorstellbar, dass man urplötzlich aus dieser Gesellschaft herausfallen könne. Man denke, man sei abgesichert: „Aber das ist nicht so.“ Info www.mobil-mit-behinderung.de, www.idm-stiftung.de, www.roland-stiftung.com

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