Kreis Südwestpfalz „Wie russisches Roulette“

Pirmasens

. Endstation städtisches Krankenhaus: Weil es eine Kräutermischung geraucht hat, ging bei einem jungen Paar nichts mehr. Der 20-Jährige rastete aus und halluzinierte, seine Freundin verlor die Orientierung. Dies war für die örtliche Polizei einer der ersten Fälle mit so genannten Legal Highs, wie die Modedroge genannt wird, so Polizeisprecher Martin Sema. Angekommen ist das Teufelszeug in der Südwestpfalz aber schon länger, sagt Bernd Kunz von der städtischen Jugend- und Drogenberatung. Zwar sei Pirmasens keine Hochburg, doch Aufklärung tue Not. „Das Problem ist, dass die Kräutermischungen unberechenbar sind“, betont Matthias Bosslet, Facharzt für Psychiatrie am Städtischen Krankenhaus. Weil man nie genau wisse, welche Stoffe in dem künstlich hergestellten Cannabis enthalten sind. Es drohe die Gefahr von Überdosen. In Schulen trichtert er den jungen Leuten ein: „Die Einnahme des Zeugs gleicht russischem Roulette.“ Je nachdem, was drin sei in den gepanschten Mitteln, könne der Konsum „massiven Schaden anrichten“. Die Opfer gerieten in einen „irrsinnigen Zustand“, litten teilweise unter heftigen Wahn- und Verwirrtheitszuständen. Das gehe hin bis zu Kreislaufzusammenbrüchen, Blutdruckkrisen, Kontrollverlust. Je nachdem, welche Füllstoffe noch untergemischt werden, könnten Organe Schaden nehmen. Dabei, so der Mediziner, würden die Drogen im Internet „unglaublich bagatellisiert“. Allzu oft hatte der Psychiater im Krankenhaus noch nicht mit den neuen Rauschmitteln zu tun, obwohl die Zahl der Drogenpatienten zunimmt. Das Mainzer Innenministerium warnte nach dem Vorfall in Pirmasens: „Die Kräutermischungen werden im Internet als legale Rauschmittel mit spektakulärer Wirkung zu günstigen Preisen angepriesen. Die bunten Tütchen sind aber alles andere als harmlos.“ Sie könnten sogar zu einem Herzinfarkt führen. Nach Aussage des Drogenberaters Kunz fallen die Rauschmittel, die unter Namen wie Spice, Monkees go Bananas oder Lava Red kursieren, nicht immer unter das Betäubungsmittel- oder Arzneimittelgesetz. Via Internet seien sie relativ leicht zu bestellen – frei Haus. Oft würden nur minimale Änderungen an den Substanzen vorgenommen, damit sie für eine Weile nicht verboten seien. Dabei gibt es den Verdacht, dass die synthetischen Drogen noch gesundheitsschädlicher sind als herkömmliches Cannabis. Das kann der Käufer laut Kunz aber nur schwer erkennen. Zumal im Internet Seiten zu finden sind mit Hinweisen wie „Die Experten für den legalen Rausch“. Die Drogen würden auch als Badesalz, Lufterfrischer oder Räucherstäbchen angepriesen, mit dem Zusatz „Nicht zum Verzehr geeignet“. Am Donnerstag wurde Schülern die Gefahr bei einem Vortrag im städtischen Krankhaus eingeschärft. Mit gängigen Tests sei die Droge beispielsweise im Urin nicht nachweisbar. Das mache sie attraktiv. Immerhin sei sie teurer als Haschisch. Nach Angaben des Innenministeriums werden in den Laboren des Landeskriminalamts pro Jahr etwa 2000 bis 3000 Kräutermischungspäckchen analysiert. „Die Wirkungen sind unkalkulierbar. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Substanzen bereits verboten sind oder nicht. Die im Internet vertriebenen Rauschmittel enthalten ungeprüfte psychotrope Substanzen“, hieß es vorige Woche aus Mainz. Der Pirmasenser Polizeisprecher Sema sagt, die gefährliche Dröhnung sei vor allem in der Aufklärungsarbeit ein heißes Thema. Die Polizei habe damit bislang wenig zu tun gehabt. „Das junge Pärchen war der erste heftige Fall, bei dem sich jemand fast vergiftet hat. “ Es sei schlimm, was junge Leute alles zu konsumieren bereit seien. Das gehe bis hin zu WC-Steinen. Sema betont, Pirmasens habe keine „ausgesprochene Drogenszene“. Drogen wie Crystal Meth oder Crack spielten so gut wie gar keine Rolle. Wohl aber Haschisch oder Amphetamine. Bei den Kräutermischungen sei für die Polizei das Problem, dass die Substanzen sehr undurchsichtig seien und in jedem Einzelfall chemisch-biologisch untersucht werden müssten. „Genau das macht sie so gefährlich.“

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