Wir über uns Eine Reise nach Absurdistan

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Wie meldet sich eigentlich der US-Präsident am Telefon? „Hello, this is Joe Biden, President of the United States of America“ vielleicht? Oder belässt er es bei einem knappen „Biden“? Ich weiß, diese Frage ist eigenartig. Das Problem: Ich stelle sie mir seit einigen Tagen trotzdem. Und es wird sogar noch kurioser. Denn ich frage mich auch, wie sich wohl Queen Elisabeth melden wird, wenn ihr Telefon bimmelt – falls sie im Jenseits überhaupt noch eines hat. Vielleicht will sie ja auch einfach mal ihre Ruhe haben nach gefühlten 100 Jahren als Regentin. Herzlich willkommen in Absurdistan!

Moment mal – wer hat denn diese Reise überhaupt gebucht? Ich kann mich nicht erinnern, mich jemals mit einem Trip in dieses exotische Stückchen Erde befasst zu haben. Auch an einen Flug kann ich mich nicht erinnern. Oder bin ich mit dem Schiff hierher gekommen?

Eine Frage sinnloser als die andere

Vielleicht hilft ja ein Blick auf die Plastikkarte weiter, die ich gerade aus meiner Jackentasche gekramt habe. Form und Größe lassen vermuten, dass es eine EC-Karte ist. Von einer Bank ist darauf aber keine Rede, einen Chip hat das gute Stück auch nicht. Stattdessen prangt am rechten Rand ein buntes Wappen. Daneben steht in großen Lettern ein Name samt Anschrift, Telefonnummer und E-Mail-Adresse. All das bringt mich kein Stück weiter, das Teil wandert wieder zurück in die Tasche.

Was wohl der Papst sagt, wenn er den Höhrer abnimmt? Oder Barack Obama? Fragen über Fragen. Und allesamt fernab jeglicher Sinnhaftigkeit. Ich irre also weiter planlos durch Absurdistan, vorbei an riesigen Luftschlössern und wundersamen Schimären. Wie komme ich hier nur wieder weg?

In meiner Verzweiflung krame ich noch einmal die Karte aus der Jacke. Ratlos durchforste ich den Aufdruck ein zweites Mal. Wieder nix. Doch dann passiert es: Aus unerfindlichen Gründen drehe ich das nutzlose Stück Kunststoff um und – bum! Von einem Moment auf den anderen bin ich zurück aus Absurdistan, wieder in der Südpfalz, dehäm.

Dem Verlag eine horrende Telefonrechnung erspart

„Wichtige Rufnummern“ steht ganz oben auf der Karte, darunter eine Liste. Joe Biden, Papst Franziskus, Queen Elisabeth und Barack Obama gehören zum illustren Kreis derer, die da aufgezählt sind. Jeder Name ist mit einer Telefonnummer versehen. Die Liste endet mit dem Mann, der mir die Karte bei einem Gesprächstermin zugeschoben hat: Dieter Geißer, seines Zeichens Ortsbürgermeister Schweigen-Rechtenbachs.

Das Rätsel ist also gelöst. Die eine Frage, die nun durch meinen Kopf schwirrt, kann ich ganz sachlich lösen. Sind das wirklich die Telefonnummern von US-Präsident, Kirchenoberhaupt und Co.? Ich könnte das einfach mal ausprobieren. Stutzig macht mich aber die Tatsache, dass in der Liste eine gewisse Angelika Merkel auftaucht. Und wenn schon der Name nicht korrekt ist, wird das wohl auch auf die Nummer zutreffen. Mit einem Schmunzeln auf den Lippen lege ich das Ticket nach Absurdistan zu all den anderen Visitenkarten in die Schublade. Den Telefonhörer lasse ich – der Verlag wird es mir danken – unangetastet. Wer weiß, wie hoch die Rechnung ausgefallen wäre, wenn ich einfach mal so in den USA angerufen hätte, um festzustellen, dass am anderen Ende niemand „Biden“ sagt.

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