Kreis Germersheim Kälte lässt Tinte wieder sichtbar werden

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WIR SIND ZUKUNFT: Erstmals hat die Integrierte Gesamtschule Rülzheim einen Landessieger im Wettbewerb „Jugend forscht – Schüler experimentieren“ in ihren Reihen. Der 14-jährige Kuhardter Jean Matthias Dilg fand im Fach Chemie heraus, wie wegradierbare Tinte wieder sichtbar gemacht werden kann.

RÜLZHEIM/KUHARDT. Warum wird Tinte durch „Wegradieren“ unsichtbar, kann aber wieder hervorgezaubert werden, wenn das beschriebene Blatt in die Tiefkühltruhe gelegt wird? Mit dieser spannenden Frage beschäftigte sich Jean Matthias Dilg (Kuhardt), Schüler der Klasse 9 S 1 der Integrierten Gesamtschule Rülzheim (IGS), in seiner Forschungsarbeit für den Wettbewerb „Jugend forscht – Schüler experimentieren“. Dort erzielte er beim Landeswettbewerb den 1. Platz. Er war übrigens der einzige aus der Südpfalz qualifizierte Teilnehmer. Die Vorstellung seiner Arbeit fand bei Boehringer Ingelheim statt, die seit Jahren Patenfirma des Landeswettbewerbes ist. Seit einigen Jahren gibt es Stifte der Firma Pilot mit diesen speziellen Eigenschaften auf dem Markt. Die Funktionsweise ist natürlich ein gut gehütetes Betriebsgeheimnis, dem der 14-jährige Jean Matthias Dilg auf die Spur kommen wollte. Unterstützt wurde er dabei von seiner Betreuungslehrerin Constanze Krausewitz, die dieses Thema eigentlich einer Schülerin zugedacht hatte. Nachdem diese aber aus Rülzheim weggezogen war, suchte sie einen neuen „Kandidaten“ und fand ihn in Jean Matthias Dilg, der somit erst nach den Herbstferien 2015 mit seiner Arbeit beginnen konnte. Der 14-Jährige, dessen Vater aus Guadeloupe stammt, die Mutter ist Deutsche, wohnt seit vier Jahren in Kuhardt. Seine Grundschulzeit absolvierte er in Kirchheimbolanden und in Mutschelbach. Nach dem Umzug nach Kuhardt besucht er die IGS Rülzheim. Wegen seiner guten schulischen Leistungen übersprang er eine Klasse. Es war bereits das 3. Mal in Folge, dass Jean Matthias an diesem Wettbewerb teilnahm. In den Jahren 2014 und 2015 hatte er Arbeiten in der Kategorie Mathematik/Informatik eingereicht und damit auf Regionalebene jeweils einen 2. Platz „eingefahren“. Diese Thematik war ihm aber „etwas zu langweilig“, zudem war eine vordere Platzierung immer so gut wie sicher, weil es nur wenige Mitbewerber gab. Daher war er froh, als seine Betreuungslehrerin ihm den Vorschlag aus dem Bereich der Chemie machte. Hier konnte er seinem Forschungsdrang freien Lauf lassen. Mit 15 weiteren Schülern war die Konkurrenz auch wesentlich größer. Zunächst war eine intensive Recherche im Internet angesagt, um herauszufinden, aus welchen Stoffen die Tinte bestand. Der Hersteller verrät zwar, dass diese sich mit der Temperatur verändern, aber nicht mehr. Also standen unzählige Versuche an. So fand Jean Matthias Dilg heraus, dass durch das Radieren eine enorme Wärme entsteht und die Tinte bei 75 Grad verschwindet. Im Gegensatz zum Radieren eines Bleistiftes handelt es sich bei diesem Verschwinden nicht um einen Abrieb der Grafitauflage, sondern um eine chemische Reaktion, die von der Reibungswärme des „Radiergummis“ auf dem beschriebenen Papier in Gang gesetzt wird. Nach Experimenten zu den Temperaturen, bei denen sich die Tinte verändert, folgten Versuche zu einer möglichen Säure-Base-Reaktion in den Nanokapseln der Tinte. Dazu kaufte er 60 Minen, die er zerschnitt und in einem Reagenzglas erhitzte. Dabei stellte er fest, dass die Tinte bei 70 Grad blasser wird und der ph-Wett abnimmt. Da dies aber bei normalem Wasser auch der Fall ist, war dies kein Beweis. Parallel zu seinen Forschungen schrieb er namhafte Experten in Wissenschaft und Industrie auf dem Gebiet der Thermochromie an, nicht alle antworteten. Schließlich bekam er Kontakt zu Oliver Seeger und Hans Reicher, beide BASF-Mitarbeiter in Basel, von denen er konkrete Informationen erhielt. Mit Hilfe einer Modellreaktion zwischen Bisphenol A und Kristallviolettlacton fand er heraus, dass die beiden Stoffe miteinander reagieren, sobald sie in Kontakt miteinander kommen. Um dies zu verhindern, wird der Tinte Wachs beigefügt. Erst wenn dieses durch die Reibungswärme schmilzt, können die beiden Stoffe miteinander reagieren, die Tinte „verschwindet“. Mit seinen Forschungen und dem Lüften des Betriebsgeheimnisses hat Jean Matthias Dilg keine Patentverletzung begangen, ist er sich sicher. „Ich hab´ ja nur bewiesen, warum die Tinte so reagiert,“ sagt der Schüler. Und damit wurde auch schon die Idee geboren, womit er sich im nächsten Jahr am Wettbewerb „Jugend forscht“ beteiligen wird, nämlich mit der Herstellung solcher Mikrokapseln. Aber auch dabei sieht er keine Gefahr gegen Patentrechte zu verstoßen, „denn ich habe ja nicht vor, diese zu vermarkten“. Und dann kann er auch endlich am „richtigen“ Jugend-forscht-Wettbewerb teilnehmen, bei dem es auch einen Bundesentscheid gibt und bei dem die Mitbewerberzahl noch größer ist sowie der Ehrgeiz, einen vorderen Platz zu erreichen, noch mehr angestachelt wird. Denn im nächsten Jahr ist Jean Matthias 15 Jahre alt, und das ist das Mindestteilnehmeralter.

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